Altes Mauthaus

Aus Historisches Lexikon Wasserburg
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Autor: Gerald Dobler

Altes Mauthaus (auch Bräuwinkelhaus, Gimplhaus, Marienplatz 25)

Einführung

Das alte Mauthaus von Nordosten gesehen

Der überaus ausgedehnte Gebäudekomplex mit der alten Hausnummer 52 steht an der Ecke zwischen dem Marktplatz, dem heutigen Marienplatz, und der Straße zur Innbrücke, der Bruckgasse. Es setzt sich aus mehreren älteren Häusern zusammen. Das östliche dieser Häuser war der erste Sitz des herzoglichen Mautners, also des vom Herzog bestellten Einnehmers der Zölle, vor allem aus der Benutzung der Innbrücke.

Im Stadtplan von 1615 sind an der Stelle des heutigen Komplexes sechs einzelne Häuser eingezeichnet, die einen großen Hof umschließen. Im Norden sind nebeneinander drei Häuser angegeben, die sich an der Bruckgasse und am Marktplatz ausrichten, im Süden westlich ein, östlich zwei schmale Häuser nebeneinander, die dem Verlauf der Stadtmauer an ihrer Südseite (in südöstlicher Richtung) folgen und deshalb schräg zu den nördlichen Häusern stehen. Die Ostfassade des nördlichen der beiden schmalen Häuser bildet die Westwand des Spitalhofes, des früheren Friedhofs des Spitals.

Im Vermessungsplan von 1813 ist dann der gesamte Komplex als ein Haus dargestellt, der große Innenhof ist verschwunden, an dessen Stelle ist wohl westlich desselben ein neuer, kleiner Hof entstanden.

Heute dehnt sich dieser Hof weiter bis zur westlichen Grundstücksgrenze aus. Der südöstliche Teil des Komplexes entlang der Spitalkirche und dem Spitalhof wurde zwischen 1813 und 1824 (Vermessungsplan, Grundriss Spital) dem Spital zugeschlagen (zunächst noch ohne das 2. Obergeschoss und das Dachgeschoss).

Der Gebäudekomplex auf dem Stadtplan von 1615
Der Gebäudekomplex mit der Nr. 52 auf dem Vermessungsplan von 1813
Der Gebäudekomplex mit der Nr. 25 auf dem aktuellen Vermessungsplan

Geschichte / Baugeschichte

Das östliche Haus wurde in der älteren Literatur, sicher aufgrund seiner Verbindung mit der Innbrücke und dem dort eingezogenen Brückenzoll, als ältestes Haus der Stadt angesehen. Chlingensperg gibt 1846 an, dass "der heutige Gasthof zum Bräu am Winkel [...] von Graf Engelbert [* 1099/1102, † 20.9.1161] als Mauthaus für die Land und Wasserfrachten erbaut [wurde]."[1]

1497 wurde der Sitz des Mautner in das Neue Mauthaus verlegt. Danach wurde das Haus dem westlich benachbarten Bräuhausbesitzer, dem 1486 erwähnten Bruckbräu, vom herzoglichen Kastenamt als Lehen verliehen.[2]

1803 oder 1809 wurde das östliche Haus, das der Brauerei zuvor nur als Lehen vergeben war, von dem Bräuer Johann Georg Stöcher käuflich erworben.[3] Er installierte darin den Gasthof zum Bräu im Winkel (Bräuwinkel).[4]

1846 erscheint der Bierbrauer Josef Stecher als Besitzer, 1864-1892 der Bierbrauer August(in) Beer, 1906-1910 und 1945 der Gastwirt Josef Gimpl.[5]

1846 wurde im Erdgeschoss an der Ostfassade des östlichen Hauses, wo sich zuvor Läden befunden hatten, eine Bierschenke eingebaut (Plan von Michael Geisberger).

1906 (Wohnungserhebung) befanden sich im Erdgeschoss drei Gastzimmer, im 1. Obergeschoss drei Wohnungen mit drei, fünf und fünf Zimmern, und im 2. Obergeschoss drei Wohnungen mit fünf, acht und vier Zimmern. Die Gasträume wanderten danach in den 1. Stock.

1908-10 erfolgte der Einbau von Läden im Erdgeschoss an der Ost- und Nordseite des östlichen Hauses.

In der Nacht vom 17. auf den 18. Januar 1945 kam es zur vollständigen Zerstörung des Dachstuhls des mittleren Hauses durch Brand. Anschließend erfolgte, wohl bis 1952, eine Instandsetzung, inkl. Arbeiten an der Fassade und des Einbaus einer Garage in das große Tonnengewölbe im Erdgeschoss des mittleren Hauses.[6]

Der Gebäudekomplex wurde im Rahmen der Stadtsanierung von 1984 bis 1989 generalsaniert.[7]


Liste der Zöllner / Mautner vor 1497 (nach Heiserer 1860, 294)

1362 Johann

1375-1386 Heinrich Vindinger

1390-1399 Heinrich Werder

1399 Erasmus Obinger

1400-1401 Hanns der Kuchelmeister

1401 Lindel der Schnizzer

1403-1410 Hanns der Weiß

1410 Ludwig der Dichtel

1411-1413 Hanns der Schimmel

1448 Alex der Gössenberger

1448-1451 Georg der Friesenheimer

1472-1478 Stephan der Losnitzer

1478 Sigmund Lampfrizhaimer

1479 Gilg der Fronhaimer

1481 Wolf der Schiltl

1495 Ruprecht Kolberger


Baubeschreibung

Eine Untersuchung zur Baugeschichte des Gebäudekomplexes ist bislang nicht erfolgt. Er ist drei- bis viergeschossig, überwiegend mit Grabendächern. Das östliche und das mittlere Haus besitzen an der Nordseite, dem Platz zu, flache Staffelgiebel, westlich mit Spitzbogenblenden.[8] Das mittlere Haus besitzt auch südlich einen entsprechenden Staffelgiebel, das westliche südlich zwei niedrige Staffelgiebel.

Ansicht des früheren mittleren Hauses von Süden von 1854

Für die Frühzeit der Bebauung noch im 12. oder 13. Jahrhundert muss man analog zu anderen Orten hölzerne Bauten mit feuer- und einbruchsicheren steinernen "Hauskernen" annehmen. Im Bereich des östlichen Hauses befindet sich ein großer Keller unter dem südwestlichen Teil, was vermuten lässt, dass dieser Hausteil später nach Norden und Osten erweitert wurde.

Das mittlere Haus setzt sich offenbar aus zwei schmalen Häusern in Nord-Süd-Richtung im südlichen Teil (starke Trennwand in der Hausmitte bis in das Dachgeschoss) und einem separaten Hausteil im nördlichen Teil zusammen. Demzufolge wäre der südliche Teil des mittleren Hauses (und ebenso des westlichen Hauses) nach 1615 (Stadtplan) grundlegend umgebaut und erst jetzt die südlichen Giebel hergestellt worden.

An der Ostfassade des östlichen Hauses befinden sich im 1. Obergeschoss drei flache, rechteckige Erker über Konsolen, von denen die beiden seitlichen, mit Balustersäulen der deutschen Frührenaissance, sich bis zum 2. Obergeschoss erstrecken. Im Erdgeschoss des östlichen Hauses sind einfache, im 1. Obergeschoss reich beschnitzte gotische Balken-Bohlendecken vorhanden.

Kirmayer datierte das östliche Haus, das Alte Mauthaus, in das 14. Jahrhundert, in die Zeit nach den Bränden von 1339 oder von 1380. Als Belege nannte er das Kellergewölbe und vermauerte gotische Fenster zur Bruckgasse zu. Er gab im 1. Obergeschoss eine Hauskapelle mit Fenster in die Spitalkirche an, demnach im südlichen Teil des mittleren Hauses (in den erhaltenen Plänen nicht erkennbar. Das Fenster in die Spitalkirche wurde 1555 von dem damaligen Besitzer Wolfgang Wider eingebrochen, siehe Spital). Für die Ostfassade des östlichen Hauses vermutete er ursprünglich offene Arkaden und dahinterliegende Läden. Den Anbau der Erker setzte er in das Jahr 1531, da diese Jahreszahl ihm zufolge noch 1925 "im obersten Staffelgiebel" gut lesbar war.[9] Die drei Erker sind jedoch jeweils unterschiedlich gestaltet, sodass es möglich erscheint, dass sie zum einen unterschiedlichen Zeiten entstammen, zum anderen teilweise vielleicht älter sind und um 1531 nur modernisiert wurden.

Im Erdgeschoss des mittleren Hauses befindet sich am nördlichen Ende ein zweijochiges Kreuzrippengewölbe mit sehr kräftigen Rippen.

Das mittlere Haus setzte Kirmayer aufgrund der Rippen im Gewölbe der Einfahrt und der Blendbogengliederung des Giebels wie das östliche ins 14. Jahrhundert.[10] Die Gewölbe weisen für das frühere nördliche Haus in diesem Bereich (vgl. den Stadtplan von 1615) tatsächlich in das 14. Jahrhundert.

Altes Mauthaus, Ostfassade des südöstlichen Traktes

Das 1615 dargestellte südöstliche Haus, westlich des Spitalhofes und der Spitalkirche, wurde erst zwischen 1813 und 1824 an das Spital verkauft, mit Ausnahme der bereits diesem zugehörigen alten Sakristei im Erdgeschoss sowie dem 2. Obergeschoss und dem Dachgeschoss (Vermessungsplan von 1813; Grundrisse von 1824; siehe auch Spital). Er enthält im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss zwei zweischiffige und dreijochige Säle mit zwei Freipfeilern, halbrunden Gurtbögen mit Fasen und Kreuzgratgewölben. Diese dürften noch der spätromanischen / frühgotischen Zeit angehören, wie einerseits die drei Spitzbogenblenden und die beiden Biforien an der Ostfassade des Traktes in den beiden obersten Geschossen und andererseits der Umstand nahelegt, dass die Sakristei mit ihrem spätgotischen Netzgewölbe im Erdgeschoss offenbar nachträglich in den Saal eingebaut wurde. [11] Das 1615 dargestellte südöstliche Haus dürfte im Kern noch in das 13. Jahrhundert zurückreichen. Es dürfte damit den ältesten noch sichtbar erhaltenen Profanbau der Stadt darstellen.

Unter dem nördlichen Teil des westlichen Hauses befindet sich ein weiterer Keller, der sogenannte Gimplkeller, der seit 2018 für kulturelle Veranstaltungen genutzt wird.

Quellen

BayHStA, GL fasz. 4356 Nr. 21.

StadtA Wasserburg, II571.

StadtA Wasserburg, Kirmayerchronik.

Literatur

Reithofer, Geschichte Stadt Wasserburg, 9.

Chlingensperg, Das Königreich Bayern, 359.

Heiserer, Geschichte Wasserburg, 273, 294.

Bezold, Bezirksämter Traunstein und Wasserburg, 2118f.

Dehio, Kunstdenkmäler Oberbayern, 1360.

Empfohlene Zitierweise:
Gerald Dobler, Altes Mauthaus, publiziert am 08.12.2019 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Altes_Mauthaus (29.03.2024)

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  1. Chlingensperg 1846, 359.
  2. Heiserer 1860, 273; Kirmayerchronik, Bd. 24 (Baugeschichte Wasserburgs).
  3. Heiserer 1860, 273, nach Wasserburger Wochenblatt 1842, 35; Kirmayerchronik, Bd. 24 (Baugeschichte Wasserburgs), gibt 1803 an.
  4. Kirmayerchronik, Bd. 24 (Baugeschichte Wasserburgs). 1846 Gasthaus Bräu am Winkel (Chlingensperg 1846, 359), 1860 Gasthaus zum Bräuwinkel (Heiserer 1860, 273).
  5. StadtA Wasserburg, Hausakt.
  6. StadtA Wasserburg, Hausakt. 1864 erfolgte außerdem der Umbau des Gartenhauses Plnr. 832 (wo?) in einen Getreidestadel mit Remisen.
  7. Stadt Wasserburg/Regierung von Oberbayern (Hg.), Wasserburg am Inn, Stadtsanierung. Bilanz nach 20 Jahren, 1994, 26.
  8. Die Giebel sind nach Dehio 2006, 1360 erneuert.
  9. Kirmayerchronik, Bd. 24 (Baugeschichte Wasserburgs). Dehio 2006, 1360 und die Denkmalliste geben 1539 an.
  10. Kirmayerchronik, Bd. 24 (Baugeschichte Wasserburgs). Die Denkmalliste datiert die Gewölbe "wohl um 1400".
  11. Zum unteren Saal führt aus dem Spitalhof eine spätgotische kielbogige Türöffnung. In der Nord- und Westwand des oberen Saals sind mehrere spitzgiebelige mittelalterliche Lichtnischen freigelegt.