Dr. Wilhelm Kulhanek: Unterschied zwischen den Versionen

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Wilhelm Kulhanek besaß zwar noch lange einen Ausweis für Vertriebene und Flüchtlinge, aber seine Familie - inzwischen zu viert, 1955 kam in Wasserburg die zweite Tochter zu Welt - war in Oberbayern angekommen. Der 'Neubürger' engagierte sich in zahlreichen Vereinen wie der Bergwacht, dem Roten Kreuz, dem TSV 1880, dem Jagdverband, der Soldaten- u. Kriegerkameradschaft Wasserburg/Inn und der Feuerwehr. Außerdem war Kulhanek Gründungsmitglied des Motorsportclubs Wasserburg e.V. im ADAC sowie des Lions-Clubs Wasserburg/Inn.<ref>Gründungsmitgliedsurkunde des Lions-Club von Dr. Wilhelm Kulhanek vom 21. 11. 1961, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739|StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739]].</ref>
 
Wilhelm Kulhanek besaß zwar noch lange einen Ausweis für Vertriebene und Flüchtlinge, aber seine Familie - inzwischen zu viert, 1955 kam in Wasserburg die zweite Tochter zu Welt - war in Oberbayern angekommen. Der 'Neubürger' engagierte sich in zahlreichen Vereinen wie der Bergwacht, dem Roten Kreuz, dem TSV 1880, dem Jagdverband, der Soldaten- u. Kriegerkameradschaft Wasserburg/Inn und der Feuerwehr. Außerdem war Kulhanek Gründungsmitglied des Motorsportclubs Wasserburg e.V. im ADAC sowie des Lions-Clubs Wasserburg/Inn.<ref>Gründungsmitgliedsurkunde des Lions-Club von Dr. Wilhelm Kulhanek vom 21. 11. 1961, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739|StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739]].</ref>
  

Version vom 2. Juli 2019, 09:40 Uhr

Autor: Franziska Honer

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Biografie Dr. Wilhelm Kulhanek[1]

Lebensdaten

Dr. med. Wilhelm Kulhanek * 8.4.1915 Peterswald in Mähren-Schlesien (heute Petřvald, Tschechische Republik), † 6.2.1987 Wasserburg.

Lebenslauf

Dr. med. Wilhelm Kulhanek, 1980er Jahre.

Schulzeit und Studium

Wilhelm Kulhanek wurde 1915 als einziger Sohn von Josef und Franziska Kulhanek in Peterswald geboren. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges gehörte der Ort noch zur kaiserlich und königlichen Monarchie Österreich-Ungarn – Wilhelm Kulahnek war also ein gebürtiger Österreicher. 1918 besetzte das tschechische Militär die Gemeinde, die nun zur neu gegründeten Tschechoslowakei gehörte. Die geografische Lage sowie das weltpolitische Geschehen beeinflussten den jungen Kulhanek: er beschäftigte sich mit den slawischen Sprachen und lernte Tschechisch, Slowakisch, Polnisch und Russisch. Auf dem Lehrplan des Staats-Reform-Realgymnasiums in Neuer Oderberg, das er von 1932 bis 1937 besuchte, standen dazu noch Latein und Französisch.[2]

Nach dem Schulabschluss absolvierte der 18jährige auf Wunsch seines Vaters erst ein Praktikum im Bergbau, schrieb sich aber schon im November 1937 an der medizinischen Fakultät der Deutschen Universität in Prag ein. Das fünf Jahre dauernde Studium war von einer unruhigen Zeit geprägt. Die sudetendeutschen Gebiete wurden durch das Münchner Abkommen vom 29. September 1938 von der Tschechoslowakei abgespalten und dem Deutschen Reich eingegliedert. Sechs Monate später marschierte die Wehrmacht in Prag ein und Adolf Hitler proklamierte am 16. März 1939 in Prag das Protektorat Böhmen und Mähren. Im Winter desselben Jahres kam es zu blutigen Unruhen und neun Studenten, als Rädelsführer bei den Demonstrationen bezichtigt, wurden von den Nationalsozialisten erschossen. Mehr als 1.300 Studenten wurden verhaftet und über 1.000 von ihnen im Konzentrationslager interniert. Die Nationalsozialisten schlossen vorerst die Tschechischen Hochschulen und Universitäten. An der Deutschen Universität in Prag – nun die Deutsche Karls-Universität – durfte allerdings weiter gelehrt werden.[3] Am 30. Juli 1942 absolvierte Wilhelm Kulhanek seine Prüfungen und erlangte den Grad eines Doktors der gesamten Heilkunde[4].

Berufliche Laufbahn unter der NS-Herrschaft

Nach der Promotion versetzte man Kulhanek vom 21. September 1942 bis zum 30. November 1943 an das Landeskrankenhaus in Teschen, wo er seine Pflichtassistenzarztzeit absolvierte.[5]

Ich wurde daraufhin als Pflichtassistent dem Landeskrankenhaus in Teschen zugeteilt, von wo aus ich Ende 1943, wegen meiner politischen Unzuverlässigkeit – ich war in keinerlei Partei noch Formation – nach Sosnowitz (Polen) als prakt. Arzt und Luftschutzarzt strafversetzt wurde.[6]

Etwa ein Jahr praktizierte Kulhanek in Polen.[7]

Im Januar habe ich Sosnowitz wegen Annäherung der Front verlassen und habe der Einberufung zum Volkssturm nicht Folge geleistet. Bis zum Einmarsch der Roten Armee, habe ich mich versteckt gehalten. Am 23. Mai 1945 wurde ich von den Tschechen als Deutscher verhaftet und ins Lager [in Karwin, Anm. der Autorin] gesteckt, wo ich 4 Monate festgehalten wurde.[8]

Nach seiner Entlassung wurde der junge Mediziner ausgesiedelt und er begab sich mit seiner Familie nach Wien.[9] Seit 1941 war Wilhelm Kulhanek mit Maria Dzida verheiratet. Eine Tochter wurde 1944 geboren. Vergeblich bemühte sich der nun Staatenlose um die österreichische Staatsbürgerschaft.[10] Schließlich begleitete er als Arzt eine Deutsche Delegation bei der Rückführung von Reichsdeutschen nach Deutschland und im Februar 1946 verschlug es die Familie Kulhanek zuerst nach München.[11] Nach einem sehr kurzen Aufenthalt schickten die Behörden sie weiter nach Wasserburg a. Inn, wo sie als Heimatvertriebene registriert wurden.

Ankunft und die ersten Jahre in Wasserburg

Dr. med. Wilhelm Kulhanek in seiner Praxis in Wasserburg.

Die in Wasserburg unerwünschten Vertriebenen wurden erst als Untermieter in der Altstadt untergebracht, konnten sich aber schon bald darauf als Mieter im Burgerfeld niederlassen.[12] Im Juli 1947 erfolgte der Umzug in die Herrengasse.[13]

Wilhelm Kulhanek bemühte sich sofort um eine Anerkennung seines Studiums, um weiterhin als Arzt praktizieren zu können. Noch bevor die entsprechenden Papiere im Mai in Wasserburg eintrafen, beschäftigte das städtische Krankenhaus Kulhanek als Assistenzarzt von April bis Juni 1946. Außerdem setzte ihn die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) in den DP-Lagern Gabersee und Attel ein.[14] Dafür befreite ihn die Militärregierung auch von der geltenden Sperrstunde while on duty as physician.[15] Die Bayerischen Landesärztekammer erteilte Kulhanek im November 1946 die Niederlassungsgenehmigung als praktischer Arzt in Bayern und der Mediziner baute eine Arztpraxis (Herrengasse 21) für Allgemeinmedizin auf. Damit ging endlich sein langgehegter Wunsch in Erfüllung, kranken Menschen zu helfen, wobei er als sicherer und immer hilfsbereiter Diagnostiker anerkannt war.[16] Für seine ärztliche Tätigkeit erhielt Kulhanek schon Mitte der 1940 Jahre, als Kraftfahrzeuge und Benzin rationiert waren, ein eigenes Auto mit Sirene.[17]

Eine Wasserburger Persönlichkeit

Dr. Kulhanek wird als ärztlicher Betreuer zur Olympiade 1972 in München berufen.

Wilhelm Kulhanek besaß zwar noch lange einen Ausweis für Vertriebene und Flüchtlinge, aber seine Familie - inzwischen zu viert, 1955 kam in Wasserburg die zweite Tochter zu Welt - war in Oberbayern angekommen. Der 'Neubürger' engagierte sich in zahlreichen Vereinen wie der Bergwacht, dem Roten Kreuz, dem TSV 1880, dem Jagdverband, der Soldaten- u. Kriegerkameradschaft Wasserburg/Inn und der Feuerwehr. Außerdem war Kulhanek Gründungsmitglied des Motorsportclubs Wasserburg e.V. im ADAC sowie des Lions-Clubs Wasserburg/Inn.[18]

Auf politischer Ebene beeinflusste Dr. Kulhanek, liebevoll "Kuli" genannt, erst im Kreistag von 1948 bis 1952 und dann von 1972 bis 1978 als gewählter Stadtrat der SPD-Fraktion das Geschehen in Wasserburg: Eine Tätigkeit, die seiner Vielschichtigkeit weitgehend entsprochen hat.[19] Kulhanek gehörte während seiner Amtszeit dem Werkausschuss an, der unter der Leitung des neu gewählten 1. Bürgermeisters Dr. Martin Geiger stand, und wurde für die Verbandsversammlung des Zweckverbandes Kreis- und Stadtsparkasse Wasserburg a. Inn bestellt.[20]

Trotz seiner zahlreichen Engagements stand für den Mediziner der Beruf immer im Vordergrund, Zeit seines Lebens bildete er sich auf dem medizinischen Feld fort. Ein Höhepunkt seiner ärztlichen Karriere stellte sicherlich die Berufung zum ärztlichen Betreuer bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München dar. Dank seiner Sprachkenntnisse wurde Dr. Kulhanek den Ehrengästen als medizinischer Ansprechpartner zugeteilt.[21]

Ab 1980 zog sich Wilhelm Kulhanek immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück und übergab seine Praxis an einen Nachfolger. In dieser Zeit entwickelte sich auch ein zunehmend verschlimmerndes Augenleiden, dass kurz vor dem Tod zu einer vollständigen Erblindung führte. Nach weiteren Erkrankungen und persönlichen Schicksalsschlägen verstarb Dr. Wilhelm Kulhanek mit 71 Jahren am 6. Februar 1987.[22]


Empfohlene Zitierweise:
Franziska Honer, Dr. Wilhelm Kulhanek, publiziert am 02.07.2019 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Dr._Wilhelm_Kulhanek (29.03.2024)


  1. Diese Biografie wurde auf der Grundlage des Teilnachlasses Wilhelm Kulhanek im StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739 erstellt und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
  2. Abschrift Reifezeugnis von 1937, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739./ Zeitungsartikel "Wenn die BB ein Weps sticht...". in [Wasserburger Zeitung] [ca. 1972], StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  3. Vgl. Simon, Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus, 5-15./ Trauerrede von Dr. Ortwin Ganss von 1987, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739./ Zeitungsartikel "Seinen Patienten und der Gemeinschaft gedient". [Wasserburger Zeitung] [ca. 1987], StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739./ Studentenausweis von 1937 bis 1942,StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  4. Abschrift der Promotionsurkunde vom 30.7.1942, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  5. Arbeitszeugnis für Wilhelm Kulhanek vom 31.1.1944, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  6. Wilhelm Kulhanek an die Österreichische Volkspartei, Bitte um die österreichische Staatsbürgerschaft, von ca. 1945/46, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  7. Kulhanek wurde hauptsächlich auf der internen Abteilung, aber auch in der chirurgischen und der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung eingesetzt. Arbeitszeugnis vom 31.1.1944, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  8. Wilhelm Kulhanek an die Österreichische Volkspartei, Bitte um die österreichische Staatsbürgerschaft, von ca. 1945/46, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  9. Seit November 1945 war die Familie Kulhanek in Wien gemeldet und Wilhelm erhielt im Januar 1946 die Erlaubnis in Götzendorf der provisorischen kassenärztlichen Tätigkeit nachzugehen. Meldezettel von Wien von November 1945, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739./ Arbeitserlaubnis vom 16.1.1946, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  10. Wilhelm Kulhanek an die Österreichische Volkspartei, Bitte um die österreichische Staatsbürgerschaft, von ca. 1945/46, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  11. Einweisungsschein für das Flüchtlingslager Pasing Weinbergstraße von Februar 1946, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  12. In Wasserburg herrschte in den Nachkriegsjahren Wohnungsnot, weswegen die US-Army und die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) Wohnraum beschlagnahmten. Die unfreiwilligen Vermieter dürften der jungen Familie einen kalten Empfang bereitet haben. Für den Umgang mit Displaced Persons und Flüchtlingen siehe Haupt, Quellenstudie Displaced Persons Camps.
  13. Meldebögen von Februar 1946, März 1946 und Juli 1947, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  14. Grundlgend zu diesen DP-Lagern Tobias, Gabersee und Attel.
  15. Befreiung von der geltenden Sperrstunde durch die Militärregierung 1946, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739./ Arbeitsbuch von 1942 bis 1946, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739./ Abschrift der Promotionsurkunde vom 30.7.1942, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739./ Zeitungsartikel "Der "Kuli" wird 65. Dr. med Wilhelm Kulhanek ist bekannt und beliebt". in [Wasserburger Zeitung] (1980), StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  16. Trauerrede von Dr. Ortwin Ganss von 1987, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  17. Unterlagen zum Erwerb eines PKW von Januar bis Dezember 1947, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  18. Gründungsmitgliedsurkunde des Lions-Club von Dr. Wilhelm Kulhanek vom 21. 11. 1961, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  19. Trauerrede von Dr. Ortwin Ganss von 1987, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739./ Zeitungsartikel "Seinen Patienten und der Gemeinschaft gedient". in [Wasserburger Zeitung] (02.1982), StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739./ Zeitungsartikel "Der "Kuli" wird 65. Dr. med Wilhelm Kulhanek ist bekannt und beliebt", in [Wasserburger Zeitung] (1980), StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  20. Stadtratsprotokoll 6.7.1972, StadtA Wasserburg a. Inn, III-1325.
  21. Trauerrede von Dr. Ortwin Ganss von 1987, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739./ Zeitungsartikel "Wenn die BB ein Weps sticht...". in [Wasserburger Zeitung] [ca. 1972], StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  22. s.o. Trauerrede von Dr. Ortwin Ganss von 1987, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739./ Zeitungsartikel "Seinen Patienten und der Gemeinschaft gedient". in [Wasserburger Zeitung] [ca. 1987], StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.