Ganserhaus

Aus Historisches Lexikon Wasserburg
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Autor: Gerald Dobler

Ganserhaus (Schmidzeile 8)

Einführung

Das Bürgerhaus (1813 Hausnummer 90) mit seiner repräsentativen Fassade reicht im Kern mindestens bis in das frühe 16. oder das 15. Jahrhundert, vielleicht entsprechend seiner Lage an der Hauptverbindung zwischen Burg und Innbrücke sogar noch in das 14. oder 13. Jahrhundert zurück. Die Jahreszahl 1555 in den (stark erneuerten) Fassadenmalereien bezieht sich wohl nicht auf das Erbauungsjahr des Hauses, sondern auf eine Renovierung oder einen Umbau. (Sattler/Ettelt 1979, S. 20) Der Bau war angeblich vor 1970 schon über 250 Jahre lang Sitz einer Zinngießerei, also seit mindestens Anfang 18. Jahrhundert. (Ganserhaus 1970; Sattler/Ettelt 1979, S. 20)

Ansicht des Schmidtors von Nordwesten, 1832.

Geschichte / Baugeschichte

1861 erfolgte die Vergrößerung eines Fensters im Erdgeschoss zum Hof des Hauses von Schuhmachermeister und Früchtehändler Karl Graf. (Hausakt) Auch die beiden großen segmentbogigen Fenster im Erdgeschoss der Südfassade dürften erst etwa ab dieser Zeit eingebaut worden sein. Die Wohnungserhebung von 1906 nennt im 1. Obergeschoss 4 vermietete Zimmer und im 2. Obergeschoss 4 Zimmer des Eigentümers. (Hausakt). Im Erdgeschoss befanden sich demnach der Laden und die Werkstatträume des Eigentümers. 1943/44 erfolgte in den Obergeschossen der Einbau eines russischen Kamins anstelle eines deutschen Kamins und der Einbau zweier schmaler hochrechteckiger Fenster in der Ostwand im Dachgeschoss. (Hausakt, Bauplan, Grundrisse 1. OG, 2. OG, DG, Schnitt mit Blick nach Osten) 1971-1973 veranlasste den Arbeitskreis (AK) 68 eine Restaurierung der Südfassade unter der Leitung der Wasserburger Fa. Boidl Wagenstetter, in deren Zuge die Wandmalereien an derselben durch die Firma freigelegt und unter Beteiligung von Willi Reichert restauriert wurden. An der Fassade des östlich angrenzenden Hauses (des sogenannten Geyer-Hauses) wurde die historische Quadermalerei wiederhergestellt (Sattler/Ettelt 1979, S. 20; Zeitungsausschnitt vom 14.9.1973 (StadtA Wasserburg a. Inn, III-1220); Restaurierungsinschrift an der Fassade) Die Restaurierung der Innenräume fand im Anschluss an die Fassadenrestaurierung bis Anfang 1977 statt, die Raumaufteilung blieb dabei weitestgehend unverändert. Es erfolgte die "Freilegung" des Tonnengewölbes im Erdgeschoss, der Einbau einer neuen Kellertreppe und die Freilegung der heute sichtbaren Balken-Bohlen-Decken sowie das "Abschlagen des alten Putzes im Gebäude und Neuverputzung". (Hausakt Bauamt; Akt AK 68, Baufortschrittsbestätigung vom 19.8.1976) Im nordwestlichen Raum im Erdgeschoss wurde ein Teil der Decke entfernt und so ein höherer Raum erzielt. Die Eröffnung der Galerie im Ganserhaus fand am 30. April 1977 statt. (StadtA Wasserburg a. Inn, III-1174) 1993 erfolgte der Abbruch zweier freistehender baufälliger Kamine über Dach (Hausakt Bauamt) , 1999-2000 wurde eine statische Sicherung des Rückgebäudes durchgeführt, verbunden mit Neuverputzungen an der Rückfassade und im Inneren. (Hausakt Bauamt) 2013 erfolgte der Abbruch des Lichtschachtes im Dachgeschoss. (Hausakt Bauamt)

Besitzer

1813 Franz Seift, Zinngießer (Ganserhaus 1970) 1861 Adam Seiff, Zinngießer (Hausakt) vor 1898-1918 Franz Ganser, Zinngießer (* 1869, † 21.11.1918) (WA 1918, Nr. 138, WA 1898 Nr. 39) 1943 Anna Ganser (Hausakt) Außerdem wird im 20. Jahrhundert Hans Ganser, Graphiker, Maler und Kunsthandwerker genannt (Ganserhaus 1970) 1970 Annie Ganser (Hausakt Bauamt) Ab 1975 Arbeitskreis (AK) 68 (seit 1968 Erbpacht) (Sattler/Ettelt 1979, S. 20)

Beschreibung

Das viergeschossige Haus besitzt an seiner Südfassade drei Fensterachsen. Zum östlichen Nachbarhaus zu ist offenbar eine schmale Abfallgasse (Reihe) vorhanden (fassadenseitig abgemauert). Im 1. und 2. Obergeschoss sind zwei Erker angebaut, in der mittleren Achse ein flacher rechteckiger, in der westlichen Achse ein polygonaler. (Nach Liedke 1984, 79 geht der polygonale Erker "auf eine Form zurück, die vor allem in Innsbruck häufig anzutreffen ist.) Den oberen Abschluss der Fassade bildet ein profiliertes Gesims mit hohem glatten Fries. Die drei großen Fenster im 3. Obergeschoss wurden nach Sattler/Ettelt vermutlich erst im 19. Jahrhundert eingebaut. (Sattler/Ettelt 1979, 20) Demnach wären die Renaissancemalereien um diese Fenster erst 1970-1973 entstanden. Das Geschoss bildete früher ein hohes Speichergeschoss.

Fassadenmalereien: Die Malereien sind stark restauriert bzw. wohl in großen Teilen modern. Die Fassade wird nach ihrer Freilegung, noch vor der Wiederherstellung wie folgt beschrieben: "Am Ganserhaus wurden nun die jüngeren Mal- und Putzschichten abgenommen und eine weitgehend erhaltene dekorative Malerei des Manierismus, die 1555 datiert ist, freigelegt. [...] Die zur Aufrauhung in den Putz geschlagenen Löcher sollen mit geeignetem Putz geschlossen und einretuschiert werden. Am Untergeschoß und anderen Fehlstellen ist der Putz in gleicher Oberflächenstruktur wie bei den alten Teilen zu ergänzen. Die erkennbaren Gesimse an den Erkern und der untere Abschluß des rechten Erkers sollen ergänzt werden. Das rechte Fenster des zweiten Obergeschosses soll wieder an die von der Malerei angegebene Stelle verschoben werden. Die neu ausgebrochenen Fenster des dritten Obergeschosses (Dachboden) sollen geschlossen werden, die Aufzugtüre und der Zugbalken können wiederhergestellt werden. Das Dachgesims soll wieder in der reichen Form hergestellt werden. Das darunter verlaufende [offenbar jüngere] Gesims soll zunächst bleiben. [...] Die abgenommenen dekorativen Malereien der oberen Schicht (etwa um 1730 entstanden) sollen sorgfältig verwahrt werden, damit sie vielleicht an anderer Stelle angebracht werden können." (Akt AK 68, Schreiben des BLfD, Dr. Gebeßler, vom 26.8.1971; Dagegen während der Wiederherstellung Schreiben des BLfD, Prof. Dr. Gebhard vom 7.9.1973: "Leider ist vom originalen Bestand sehr viel verloren." Eine Dokumentation der Freilegungs- und Restaurierungsarbeiten wurde offenbar nicht erstellt.) Die Renaissancemalereien sind, wie weiter oben bemerkt, durch die Jahreszahl 1555 am Flacherker datiert. Nach Steffan kamen unter diesen Malereien noch ältere Malereien zum Vorschein. (Ferdinand Steffan: Wasserburger Details, in: Wasserburger Zeitung v. 2.8.1977). Die erneuerten Renaissancemalereien bestehen aus architektonischen Rahmungen der Fenster, die ober- und unterhalb durch Ranken mit Masken, Früchten und Löwenköpfen bereichert werden. Über dem östlichen Fenster im 1. Obergeschoss ist zwischen zwei Putti eine Kartusche mit der Restaurierungsinschrift von 1973 angebracht. An den beiden Erkern und in Lisenen neben dem Polygonalerker und zum östlichen Nachbarhaus zu finden sich Felderungen, die hauptsächlich mit Rankenwerk gefüllt sind, in dem sich am Polygonalerker aber auch eine Frauenfigur und eine Büste erkennen lassen. Lediglich unter dem oberen Fenster des Flacherkers ist eine figürliche Szene vorhanden, die drei um einen Brunnen gruppierte Figuren in einem Wald zeigt, zwei weitere einzelne Figuren seitlich am oberen Ende des Erkers. Im Fries des Traufgesims sind in geringen Resten Rankenwerk und zwei Putti zu erkennen (modern?). Zwischen dem 2. und 3. Obergeschoss ist ein zeitlich nicht zugehöriges rundbogiges Bildfeld mit dem Drachenstich des hl. Georgs freigelegt, das durch das rechte Fenster im 3. Obergeschoss überschnitten wird und demnach älter als die vorhandene Fensteröffnung ist. Eine nähere Datierung des Bildes ist aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes nicht möglich (obere Malschicht, um 1730?). Im Rahmen der Fassadenrestaurierung 1971-1973 wurden auch die Eingangstüre und die Fenster erneuert. (Akt AK 68)

Inneres: Das Haus weist im Inneren offenbar bis heute "das ursprüngliche Grundrissgefüge" auf, (Hausakt Bauamt, Schreiben von Christoph Scholter, BLfD, vom 18.8.2009) was dahingehend zu verstehen ist, dass es sich in einem noch teilweise mittelalterlichen/frühneuzeitlichen Zustand erhalten hat, der aber auch noch spätere Umbauten bis zum 19. Jahrhundert umfasst. (Akt AK 68, Schreiben von Kreis-Heimatpfleger Theodor Heck vom 18.10.1971: "Das Ganserhaus wurde im Inneren im Lauf der Jahre bereits soweit verändert, daß eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes meines Erachtens kaum mehr möglich sein dürfte.") Es besteht aus einem vorderen und einem vermutlich nachträglich angebauten hinteren Teil (starke Mauer zwischen den beiden Hausteilen, Baufugen bzw. Risse im Dachgeschoss). Der vordere Teil enthält im Erdgeschoss westlich die langgestreckte Diele mit einer wohl nachträglichen Treppe zu einem tonnengewölbtem Keller im hinteren Teil (ursprüngliche Treppe wohl in der Südwestecke des Kellers, von Westen (unter Stichkappe)) und der Treppe zu den Obergeschossen, im östlichen einen langgestreckten, im nördlichen Teil tonnengewölbten Raum, sicher die frühere Zinngießerei mit Verkaufsraum. Die Diele besitzt eine einfache Balken-Bohlen-Decke, in ihrer Westwand befinden sich zwei spitzgiebelige Lichtnischen. Der hintere Teil besteht aus zwei länglichen Räumen unbekannter Funktion mit einfachen Balken-Bohlendecken, wohl Werkstatt- oder Lagerräumen. Im 1. und 2. Obergeschoss befanden sich 1943 (Bauplan) je eine Wohnung. Bei der Wohnung im 1. Obergeschoss handelte es sich früher vielleicht um die Wohnung des Hauseigentümers, 1943 wohl eines Mieters (wie 1906). Hier sind im hinteren Teil ein Arbeitsraum und ein Lager angegeben. Der südöstliche Raum im 1. Obergeschoss besitzt ebenfalls eine einfache Balken-Bohlen-Decke, die segmentbogige Erker- und die Fensternische sind gefast. Im weitestgehend unsaniert belassenen 2. Obergeschoss befindet sich im südwestlichen Raum an der Wand östlich des Erkers eine kleine Freilegung mit gotischer Rankenmalerei. Im Speicher sind an der Ost-, Süd- und Westwand noch die Spuren eines oder zweier aufeinanderfolgender früherer Grabendächer zu erkennen, die auch in den hinteren Teil des Hauses durchliefen. Zu dem Grabendach gehören noch zwei mächtige Auflagerbalken (Querbalken) im mittleren und nördlichen Teil. Das vorhandene hohe Satteldach ist erst in jüngerer Zeit aufgesetzt worden. Der große gemauerte Lichtschacht im mittleren Teil vor der Ostwand war bereits vorhanden, als das Grabendach noch stand (Spuren des Grabendachs am Lichtschacht) und wurde für das neue Dach stark erhöht. Der Boden des Speichers ist überwiegend mit Vollziegeln ausgelegt (Brandschutz), z. T. mit dem eingestempelten Buchstaben "S". Vor der Rückfassade sind in Holzbauweise zwei Kammern eingebaut, die mindestens bis in die Barockzeit zurückreichen dürften (Mittelwand fehlt).

Quellen

Literatur

Sattler/Ettelt, Bürgerhaus Inn Salzach, 20.

Steffan, Wasserburger Details, Ganserhaus.

Liedke, Bürgerhaus Altbayern, 79, 83.

Empfohlene Zitierweise:
Gerald Dobler, Ganserhaus, publiziert am 25.03.2020 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Ganserhaus (24.04.2024)
Creative Commons Lizenzvertrag. Lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.