Josef Estermann: Unterschied zwischen den Versionen

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==Kaiserzeit: Kindheit, Krieg und Revolution==
 
==Kaiserzeit: Kindheit, Krieg und Revolution==
 
'''Kindheit und Jugend in Wasserburg'''<br>
 
 
Josef Estermann stammt aus einfachen Verhältnissen und einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus.<ref>Tonband-Interview von Hans Klinger mit Josef Estermann vom 17.6.1975, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082|StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082]].</ref>. Sein Vater war der Forstarbeiter Georg Estermann, verheiratet mit Sofie Estermann, geborene Peintinger. Während beide Eltern ''die meiste Zeit im Wald''<ref>Aufzeichnungen Josef Estermann, Heft 1, 1, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VI1141|StadtA Wasserburg a. Inn, VI1141]]</ref> arbeiteten,erlebten Josef und seine zwei Brüder eine ''freie Kindheit'' im sogenannten Hering-Haus in der Wasserburger Neustraße.  
 
Josef Estermann stammt aus einfachen Verhältnissen und einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus.<ref>Tonband-Interview von Hans Klinger mit Josef Estermann vom 17.6.1975, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082|StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082]].</ref>. Sein Vater war der Forstarbeiter Georg Estermann, verheiratet mit Sofie Estermann, geborene Peintinger. Während beide Eltern ''die meiste Zeit im Wald''<ref>Aufzeichnungen Josef Estermann, Heft 1, 1, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VI1141|StadtA Wasserburg a. Inn, VI1141]]</ref> arbeiteten,erlebten Josef und seine zwei Brüder eine ''freie Kindheit'' im sogenannten Hering-Haus in der Wasserburger Neustraße.  
 
Nach Ende der Volksschulzeit, Estermann spricht von täglichen Prügeln durch den Lehrer, schickte ihn der Vater zur Arbeit in die Landwirtschaft. Die harten Arbeitsbedingungen, ''den Tag a 14 Stund g’arbat, […] koan Urlaub ned und d‘Woch a Mark'' <ref>Tonband-Interview von Hans Klinger mit Josef Estermann vom 17.6.1975, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082|StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082]].</ref>, dürften seine politische Einstellung mit geprägt haben.
 
Nach Ende der Volksschulzeit, Estermann spricht von täglichen Prügeln durch den Lehrer, schickte ihn der Vater zur Arbeit in die Landwirtschaft. Die harten Arbeitsbedingungen, ''den Tag a 14 Stund g’arbat, […] koan Urlaub ned und d‘Woch a Mark'' <ref>Tonband-Interview von Hans Klinger mit Josef Estermann vom 17.6.1975, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082|StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082]].</ref>, dürften seine politische Einstellung mit geprägt haben.
  
'''Von der Wanderschaft zur Landsturmpflicht'''<br>
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'''Landsturmpflicht und Räterepublik'''<br>
 
Noch nicht volljährig, begab sich Josef Estermann auf Wanderschaft und heuerte in Hamburg auf einem Schiff an, wohl auch, um sich ''dem Barras'', also dem Dienst an der Waffe im mittlerweile entbrannten Ersten Weltkrieg, zu entziehen. Er soll auf See bis nach Schweden gekommen sein, wurde aber im Dezember 1916 in Hamburg ''vom Schiff runter'' <ref>Tonband-Interview von Hans Klinger mit Josef Estermann vom 17.6.1975, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082|StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082]].</ref> geholt und als Landsturmpflichtiger in das Infanterieregiment 76 eingezogen.  
 
Noch nicht volljährig, begab sich Josef Estermann auf Wanderschaft und heuerte in Hamburg auf einem Schiff an, wohl auch, um sich ''dem Barras'', also dem Dienst an der Waffe im mittlerweile entbrannten Ersten Weltkrieg, zu entziehen. Er soll auf See bis nach Schweden gekommen sein, wurde aber im Dezember 1916 in Hamburg ''vom Schiff runter'' <ref>Tonband-Interview von Hans Klinger mit Josef Estermann vom 17.6.1975, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082|StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082]].</ref> geholt und als Landsturmpflichtiger in das Infanterieregiment 76 eingezogen.  
 
Nach einer Verwundung an der Westfront in Flandern und einem Lazarettaufenthalt in Witten im Ruhrgebiet, wo er seine spätere Frau, die Lazaretthelferin Johanna Kirsten, kennenlernte, versetzte man ihn zum 7. Bayerischen Feldartillerie-Regiment. Dort diente er bis Kriegsende und soll dabei das Eiserne Kreuz erhalten haben, da er einem Offizier das Leben rettete.
 
Nach einer Verwundung an der Westfront in Flandern und einem Lazarettaufenthalt in Witten im Ruhrgebiet, wo er seine spätere Frau, die Lazaretthelferin Johanna Kirsten, kennenlernte, versetzte man ihn zum 7. Bayerischen Feldartillerie-Regiment. Dort diente er bis Kriegsende und soll dabei das Eiserne Kreuz erhalten haben, da er einem Offizier das Leben rettete.
 
'''Räterepublik München'''<br>
 
 
Im Frühjahr 1919 landete er nach den Kriegswirren im vom revolutionären Umsturz erfassten München und schloss sich zur Verteidigung der dort errichteten Räterepublik der Roten Armee an. Nachdem die Stadt von Reichswehr und Freikorpsverbänden eingenommen wurde, geriet auch Estermann in Gefangenschaft. Seinen Schilderungen zufolge wäre er fast ein Opfer der Erschießungen geworden, die Anfang Mai 1919 nach Niederschlagung der Räterepublik im Gefängnis Stadelheim stattfanden. In einem Interview beschreibt er, wie er dem Tod nur knapp entkam, da ihn der befehligende Offizier als seinen früheren Regimentsangehörigen und tüchtigen Soldaten wiedererkannte:
 
Im Frühjahr 1919 landete er nach den Kriegswirren im vom revolutionären Umsturz erfassten München und schloss sich zur Verteidigung der dort errichteten Räterepublik der Roten Armee an. Nachdem die Stadt von Reichswehr und Freikorpsverbänden eingenommen wurde, geriet auch Estermann in Gefangenschaft. Seinen Schilderungen zufolge wäre er fast ein Opfer der Erschießungen geworden, die Anfang Mai 1919 nach Niederschlagung der Räterepublik im Gefängnis Stadelheim stattfanden. In einem Interview beschreibt er, wie er dem Tod nur knapp entkam, da ihn der befehligende Offizier als seinen früheren Regimentsangehörigen und tüchtigen Soldaten wiedererkannte:
  ''Des [Erschießungs-)Kommando is hervorn g‘standen, ungefähr 9 oder 10 Mann, die haben ihr Gewehr schon geladen gehabt. Und dann geht der Offizier nochmal unsre Front ab, schaut uns allesamt an und dann geht er zu mir und sagt er: „Ja, Estermann“, sagt er, „was machst denn du da?“ Des war mein Kompanieführer, […] der Oberleutnant Metzger. […] Dann sagt er, „Geh einmal raus. Den Mann kenn ich ja gut“, sagt er, „des is ja a guter Soldat gwesen“ […]. Und ich bin dann wieder reinkommen, die andren sind umgelegt worden.''  
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  ''Des [Erschießungs-)Kommando is hervorn g‘standen, ungefähr 9 oder 10 Mann, die haben ihr Gewehr schon geladen gehabt. Und dann geht der Offizier nochmal unsre Front ab, schaut uns allesamt an und dann geht er zu mir und sagt er: „Ja, Estermann“, sagt er, „was machst denn du da?“ Des war mein Kompanieführer, […] der Oberleutnant Metzger. […] Dann sagt er, „Geh einmal raus. Den Mann kenn ich ja gut“, sagt er, „des is ja a guter Soldat gwesen“ […]. Und ich bin dann wieder reinkommen, die andren sind umgelegt worden.'' <ref>Tonband-Interview von Hans Klinger mit Josef Estermann vom 17.6.1975, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082|StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082]]</ref>
 
Estermann erhielt dann einen Passierschein ausgestellt, mit dem er unversehrt nach Hause zurückkehren konnte.<ref>Ausweis der Stadtkommandantur München vom 1.5.1919, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VI4041|StadtA Wasserburg a. Inn, VI4041]]</ref>
 
Estermann erhielt dann einen Passierschein ausgestellt, mit dem er unversehrt nach Hause zurückkehren konnte.<ref>Ausweis der Stadtkommandantur München vom 1.5.1919, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VI4041|StadtA Wasserburg a. Inn, VI4041]]</ref>
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==Weimarer Jahre: Heirat, KPD und ''Hochverrat''==
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Zurück in Wasserburg schlug sich Estermann als Gelegenheitsarbeiter durch. Er half seinem Vater bis zu dessen frühen Tod im Mai 1922 bei der Forstarbeit im städtischen Wald und verdingte sich als Torfstecher oder als Hilfsarbeiter beim Flußamt einen kargen Lohn, von dem er sich in Zeiten galoppierender Inflation kaum genug zum Leben kaufen konnte. Es soll dabei auch zu kleinen Betrügereien wie dem Verkauf von gestrecktem Pfeffer oder gestohlenen Christbäumen gekommen sein.<ref>Hans Klinger, Gestorben wird erst später… Ein deutscher Lebenslauf, St. Michael 1984, 54</ref> Im Zeitraum von 1923 bis 1929 verzeichnet Estermanns Strafregister drei Haftstrafen wegen Diebstahl, Unterschlagung und Betrug.<ref>Auszug aus dem Strafregister der Staatsanwaltschaft Traunstein vom 20.06.1939,[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VI1141|StadtA Wasserburg a. Inn, VI1141]]</ref>. Nach Phasen der Arbeitslosigkeit fand er in der damaligen Bierstadt Wasserburg schließlich eine Festanstellung in der Mälzerei der Brauerei Greinbräu. Am 27.11.1923 heiratete er in Wasserburg die aus Witten an der Ruhr stammende Krankenhelferin Johanna Kirsten, die bald eine Anstellung im städtischen Schülerheim St. Achatz fand.
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Das junge Paar konnte an Weihnachten 1923 ein in Eigenleistung halweges fertiggestelltes Häuschen am Riedener Weg beziehen, auf einem Grundstück, das die Stadt Wasserburg auf Erbbaurecht an Bedürftige vergeben hatte. Bald waren jedoch die Raten für den Kredit angesichts der Zinslast und dem kargen Einkommen in jenen Jahren nicht länger aufzubringen, so dass die mittlerweile dreiköpfige Familie das Haus 1926 verkaufen und in eine Mietwohnung im Haus des Café Wust in der Färbergasse ziehen musste. 1924 und 1927 wurden die beiden Söhne Karl und Rudolf geboren.
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'''Von der SPD zur KPD'''<br>
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Estermann engagierte sich weiterhin politisch und ließ sich zunächst für die örtliche SPD gewinnen und als Fahnenträger des Reichsbanners Schwarz Rot Gold. Ab Mitte der 1920er Jahre schloss er sich nach deren Gründung der örtlichen Ortsgruppe der Kommunistischen Partei an, vor allem aus Enttäuschung über die Haltung der Sozialdemokraten in der Frage der Enteignung des Adels. Bald stieg er zum leitenden Kopf der rasch anwachsenden Ortsgruppe:
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''Ich war damals pol. Leiter der Ortsgruppe Wasserburg wir hatten damals bald 100 Mitglieder. Meine Frau leitete die Rote Hilfe. Ich hatte beim Greinbräu eine gute Stelle in der Brauerei. Mein Chef (Hr. Hatzl) wollte mich immer entlassen wegen meiner politischen Arbeit. Aber sonderbarerweise tat er es nicht.'' <ref>Aufzeichnungen Josef Estermann, Heft 1, 10, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VI1141|StadtA Wasserburg a. Inn, VI1141]]</ref>
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==Amtszeit als Erster Bürgermeister der Stadt Wasserburg a. Inn==
 
==Amtszeit als Erster Bürgermeister der Stadt Wasserburg a. Inn==
 
10.05.1945 bis 03.10.1945. Josef Estermann wurde am 10. Mai von der US-Militärregierung zum Bürgermeister ernannt.<ref>Befehl der US-Militärregierung vom 10.5.1945,[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VI1141|StadtA Wasserburg a. Inn, VI1141]].</ref>Ausweis der Stadtkommandantur München vom 1.05.1919,  
 
10.05.1945 bis 03.10.1945. Josef Estermann wurde am 10. Mai von der US-Militärregierung zum Bürgermeister ernannt.<ref>Befehl der US-Militärregierung vom 10.5.1945,[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VI1141|StadtA Wasserburg a. Inn, VI1141]].</ref>Ausweis der Stadtkommandantur München vom 1.05.1919,  
 
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Version vom 7. Januar 2022, 20:06 Uhr

Autor: Robert Obermayr

Biografie Josef Estermann
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Einführung

Josef Estermann war der erste von der US-Militärverwaltung eingesetzte Bürgermeister der Stadt Wasserburg am Inn nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft und zudem für fast ein Jahr Landrat des Landkreises Wasserburg. In den 1920er Jahren leitete in die Ortsgruppe der kommunistischen Partei und führte in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs die Wasserburger Freiheitsaktion an. Estermann war in der Stadt als Geschäftsmann bekannt und galt als Wasserburger Original. Sein in verschiedenen Quellen gut dokumentierter Lebenslauf spiegelt das 20. Jahrhundert mit seinen Hoffnungen, Wirrungen und Katastrophen wider.

Lebensdaten

Josef Estermann * 28.12.1898 in Wasserburg am Inn, † 8.11.1982 in Wasserburg am Inn (...).

Kaiserzeit: Kindheit, Krieg und Revolution

Josef Estermann stammt aus einfachen Verhältnissen und einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus.[1]. Sein Vater war der Forstarbeiter Georg Estermann, verheiratet mit Sofie Estermann, geborene Peintinger. Während beide Eltern die meiste Zeit im Wald[2] arbeiteten,erlebten Josef und seine zwei Brüder eine freie Kindheit im sogenannten Hering-Haus in der Wasserburger Neustraße. Nach Ende der Volksschulzeit, Estermann spricht von täglichen Prügeln durch den Lehrer, schickte ihn der Vater zur Arbeit in die Landwirtschaft. Die harten Arbeitsbedingungen, den Tag a 14 Stund g’arbat, […] koan Urlaub ned und d‘Woch a Mark [3], dürften seine politische Einstellung mit geprägt haben.

Landsturmpflicht und Räterepublik
Noch nicht volljährig, begab sich Josef Estermann auf Wanderschaft und heuerte in Hamburg auf einem Schiff an, wohl auch, um sich dem Barras, also dem Dienst an der Waffe im mittlerweile entbrannten Ersten Weltkrieg, zu entziehen. Er soll auf See bis nach Schweden gekommen sein, wurde aber im Dezember 1916 in Hamburg vom Schiff runter [4] geholt und als Landsturmpflichtiger in das Infanterieregiment 76 eingezogen. Nach einer Verwundung an der Westfront in Flandern und einem Lazarettaufenthalt in Witten im Ruhrgebiet, wo er seine spätere Frau, die Lazaretthelferin Johanna Kirsten, kennenlernte, versetzte man ihn zum 7. Bayerischen Feldartillerie-Regiment. Dort diente er bis Kriegsende und soll dabei das Eiserne Kreuz erhalten haben, da er einem Offizier das Leben rettete. Im Frühjahr 1919 landete er nach den Kriegswirren im vom revolutionären Umsturz erfassten München und schloss sich zur Verteidigung der dort errichteten Räterepublik der Roten Armee an. Nachdem die Stadt von Reichswehr und Freikorpsverbänden eingenommen wurde, geriet auch Estermann in Gefangenschaft. Seinen Schilderungen zufolge wäre er fast ein Opfer der Erschießungen geworden, die Anfang Mai 1919 nach Niederschlagung der Räterepublik im Gefängnis Stadelheim stattfanden. In einem Interview beschreibt er, wie er dem Tod nur knapp entkam, da ihn der befehligende Offizier als seinen früheren Regimentsangehörigen und tüchtigen Soldaten wiedererkannte:

Des [Erschießungs-)Kommando is hervorn g‘standen, ungefähr 9 oder 10 Mann, die haben ihr Gewehr schon geladen gehabt. Und dann geht der Offizier nochmal unsre Front ab, schaut uns allesamt an und dann geht er zu mir und sagt er: „Ja, Estermann“, sagt er, „was machst denn du da?“ Des war mein Kompanieführer, […] der Oberleutnant Metzger. […] Dann sagt er, „Geh einmal raus. Den Mann kenn ich ja gut“, sagt er, „des is ja a guter Soldat gwesen“ […]. Und ich bin dann wieder reinkommen, die andren sind umgelegt worden. [5] 

Estermann erhielt dann einen Passierschein ausgestellt, mit dem er unversehrt nach Hause zurückkehren konnte.[6]

Weimarer Jahre: Heirat, KPD und Hochverrat

Zurück in Wasserburg schlug sich Estermann als Gelegenheitsarbeiter durch. Er half seinem Vater bis zu dessen frühen Tod im Mai 1922 bei der Forstarbeit im städtischen Wald und verdingte sich als Torfstecher oder als Hilfsarbeiter beim Flußamt einen kargen Lohn, von dem er sich in Zeiten galoppierender Inflation kaum genug zum Leben kaufen konnte. Es soll dabei auch zu kleinen Betrügereien wie dem Verkauf von gestrecktem Pfeffer oder gestohlenen Christbäumen gekommen sein.[7] Im Zeitraum von 1923 bis 1929 verzeichnet Estermanns Strafregister drei Haftstrafen wegen Diebstahl, Unterschlagung und Betrug.[8]. Nach Phasen der Arbeitslosigkeit fand er in der damaligen Bierstadt Wasserburg schließlich eine Festanstellung in der Mälzerei der Brauerei Greinbräu. Am 27.11.1923 heiratete er in Wasserburg die aus Witten an der Ruhr stammende Krankenhelferin Johanna Kirsten, die bald eine Anstellung im städtischen Schülerheim St. Achatz fand. Das junge Paar konnte an Weihnachten 1923 ein in Eigenleistung halweges fertiggestelltes Häuschen am Riedener Weg beziehen, auf einem Grundstück, das die Stadt Wasserburg auf Erbbaurecht an Bedürftige vergeben hatte. Bald waren jedoch die Raten für den Kredit angesichts der Zinslast und dem kargen Einkommen in jenen Jahren nicht länger aufzubringen, so dass die mittlerweile dreiköpfige Familie das Haus 1926 verkaufen und in eine Mietwohnung im Haus des Café Wust in der Färbergasse ziehen musste. 1924 und 1927 wurden die beiden Söhne Karl und Rudolf geboren.

Von der SPD zur KPD
Estermann engagierte sich weiterhin politisch und ließ sich zunächst für die örtliche SPD gewinnen und als Fahnenträger des Reichsbanners Schwarz Rot Gold. Ab Mitte der 1920er Jahre schloss er sich nach deren Gründung der örtlichen Ortsgruppe der Kommunistischen Partei an, vor allem aus Enttäuschung über die Haltung der Sozialdemokraten in der Frage der Enteignung des Adels. Bald stieg er zum leitenden Kopf der rasch anwachsenden Ortsgruppe:

Ich war damals pol. Leiter der Ortsgruppe Wasserburg wir hatten damals bald 100 Mitglieder. Meine Frau leitete die Rote Hilfe. Ich hatte beim Greinbräu eine gute Stelle in der Brauerei. Mein Chef (Hr. Hatzl) wollte mich immer entlassen wegen meiner politischen Arbeit. Aber sonderbarerweise tat er es nicht. [9] 


Amtszeit als Erster Bürgermeister der Stadt Wasserburg a. Inn

10.05.1945 bis 03.10.1945. Josef Estermann wurde am 10. Mai von der US-Militärregierung zum Bürgermeister ernannt.[10]Ausweis der Stadtkommandantur München vom 1.05.1919,





Empfohlene Zitierweise:

Robert Obermayr, Josef Estermann, publiziert am 07.01.2022 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Josef_Estermann (19.04.2024)
Creative Commons Lizenzvertrag. Lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.

  1. Tonband-Interview von Hans Klinger mit Josef Estermann vom 17.6.1975, StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082.
  2. Aufzeichnungen Josef Estermann, Heft 1, 1, StadtA Wasserburg a. Inn, VI1141
  3. Tonband-Interview von Hans Klinger mit Josef Estermann vom 17.6.1975, StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082.
  4. Tonband-Interview von Hans Klinger mit Josef Estermann vom 17.6.1975, StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082.
  5. Tonband-Interview von Hans Klinger mit Josef Estermann vom 17.6.1975, StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-082
  6. Ausweis der Stadtkommandantur München vom 1.5.1919, StadtA Wasserburg a. Inn, VI4041
  7. Hans Klinger, Gestorben wird erst später… Ein deutscher Lebenslauf, St. Michael 1984, 54
  8. Auszug aus dem Strafregister der Staatsanwaltschaft Traunstein vom 20.06.1939,StadtA Wasserburg a. Inn, VI1141
  9. Aufzeichnungen Josef Estermann, Heft 1, 10, StadtA Wasserburg a. Inn, VI1141
  10. Befehl der US-Militärregierung vom 10.5.1945,StadtA Wasserburg a. Inn, VI1141.