Kernhaus

Aus Historisches Lexikon Wasserburg
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Autor: Gerald Dobler

Sogenanntes Kernhaus (Marienplatz 7/9)

Einführung

Das sogenannte Kernhaus gegenüber dem Wasserburger Rathaus besteht aus zwei einzelnen Häusern (1813 Hausnummer 9, 10), die durch die im 18. Jahrhundert aufwändig stuckierte Fassade zusammengefasst werden. Im späteren 17. Jahrhundert ist sogar eine Unterteilung in drei Häuser überliefert. Den östlichen Teil bildet das eigentliche Kernhaus, der Sitz der Wasserburger Familie Kern und spätere Amtsgericht (Marienplatz 7), den westlichen Teil das heutige Hotel Paulaner (Marienplatz 9).

Ansicht des Schmidtors von Nordwesten, 1832.


Geschichte / Baugeschichte

Die Häuser befanden sich in früheren Jahrhunderten im Besitz Wasserburger Patrizierfamilien und dienten als Handels- und Gasthäuser. Eine Gedenktafel von 1955 am westlichen Haus Marienplatz 9 gibt die Errichtung des Hauses im 15. Jahrhundert an, jedoch könnten beide Häuser in Anbetracht ihrer zentralen Lage im Kern bis in das 12. oder 13. Jahrhundert zurückreichen. Das östliche Haus Marienplatz 7 befand sich ab dem späten 16. Jahrhundert im Besitz der Wasserburger Rats-, Handels- (u. a. Getreide- und Salzhandel) und Gastgeberfamilie Kern, die im 17. Jahrhundert in den Adelsstand erhoben wurde (nach Sieghardt 1952, 24 bereits 1583 in den Freiherrenstand erhoben), das Haus Marienplatz 9 befand sich zumindest um 1700 im Besitz der Wasserburger Familie Reitter mit entsprechenden Betätigungsfeldern.

1580 erwarb Caspar Kern († 1583) von Wilhelm Hurrer "eine Behausung am Platz"[1], das Haus Marienplatz 7. 1587 erbte Abraham Kern das Haus nach dem Tod seines Vaters Peter d. J. Es bestand damals aus zwei größeren Einzelteilen, dem Vorderhaus und einem Hinterhaus mit einem "Faylpadt", einem von einem Bader gemieteten Bad.[2]

1589 bis 1599 erfolgten unter Abraham Kern verschiedene Umbauten, u. a. 1589 die Renovierung einer Stube, 1589/90 die Täfelung eines Flezes ("Mach vnd Aufschlagung des däffers am flez") und 1590 die Herstellung eines hölzernen Vordachs in Form einer großen Hohlkehle über der Platzfassade durch den Kistler Tobias Mell, der außerdem eine Kassettendecke einbaute.[3]

Am 24. Juli 1597 übernachteten auf der Durchreise die vierzehn und elf Jahre alten Erzherzöge Max Ernst und Leopold von Österreich im Kernhaus, die Erzherzoging Maria von Österreich begleiteten, am 8. April 1600 Kurfürst Ferdinand von Köln und 1619 drei Nächte lang Herzog Albrecht (von wo?).[4]

Um 1730/40 erfolgte eine Neugestaltung der Platzfassade der Häuser Marienplatz 7 und 9 mit aufwändigen Stuckaturen, die Johann Baptist Zimmermann zugeschrieben werden (siehe weiter unten).

1795 wurde das Haus Marienplatz 7 durch die Stadt Wasserburg erworben, es folgte die Nutzung als Magistratsgebäude und Beamtenwohnung. Im Jahr 1800 übernachtete Kaiser Franz I. von Österreich zweimal in diesem Haus.[5]

Ab 1849 wurde das Haus Marienplatz 7 als Kreis- und Stadtgericht verwendet.[6] 1855 wurden die Amtsräume für die Nutzung als Bezirksgericht ab 1856 erweitert.[7] Dabei wurde unter anderem im Vorderhaus ein neues Treppenhaus eingebaut und im Rückgebäude im Erdgeschoss in einem Gewölberaum ein Saal hergestellt.

(Baupläne 1847/54)

Die Magistratsverwaltung zog in den folgenden Jahren in das erweiterte Rathaus um.[8] Vielleicht erfolgte in diesem Zusammenhang eine erste, "unsachgemäße" Restaurierung der Stuckfassade.[9]

1874 wurden beide Häuser durch den Stadtbrand in Mitleidenschaft gezogen (wohl in erster Linie die Fassade und der Dachstuhl). Die Wiederherstellungskosten für das Haus Marienplatz 7 beliefen sich auf knapp 2.900 Gulden.[10]

Von 1874 bis 2012 diente das Haus Marienplatz 7 dann als Amtsgericht.[11]

1926 erfolgte eine weitere, "unsachgemäße" Restaurierung der Fassade.[12]

Am 25. April 1951 gab es einen kleineren Brandschaden im Dach des Rückgebäudes des Hauses Marienplatz 7.[13]

1954 wurde das Haus Marienplatz 9 durch die Stadt Wasserburg von einer Erbengemeinschaft erworben.[14]

1955 wurde die Fassade restauriert. Beteiligt waren die Wasserburger Malerfirma Fellner und der Wasserburger Künstler Willi Ernst mit den Subunternehmern M. Forster, München, für Gesimse und Fensterahmen sowie J. Christl für die Ornamentik.

1964 bis 1965 erfolgte, heute nur noch schwer nachvollziehbar, der Abbruch des Hauses Marienplatz 7 mit Ausnahme der Platzfassade und anschließend bis 1967 die Neuerrichtung.[15] Durch den Abbruch hatte die Fassade schwere Schäden erlitten: "zahlreiche Risse in Putzflächen und Gesimsen und Schäden an den Stuckaturen aufgetreten, die Fenstergewände teilweise abgefallen. Die Ornamente außerdem durch Witterungseinflüsse angegriffen."[16] 1968 mussten daraufhin durch Willi Ernst erneut umfangreiche Restaurierungsarbeiten an der Fassade durchgeführt werden.

1971 erfolgte ein Teilabbruch des Hauses Marienplatz 9.[17]

2015 wurde die Fassade bislang zum letzten Mal restauriert, außerdem erfolgte eine Teilerneuerung des Hauses Marienplatz 7.


Besitzer

1580 - 1587 Kaspar Kern

1587 - Abraham Kern (* 1563, † 4.7.1628), durch Erbschaft

1730 -

Quellen

StadtA Wasserburg a. Inn, II180.

StadtA Wasserburg a. Inn, II699.

StadtA Wasserburg a. Inn, II1060.

StadtA Wasserburg a. Inn, II1501.

StadtA Wasserburg a. Inn, II1874.

StadtA Wasserburg a. Inn, II2256.

StadtA Wasserburg a. Inn, II2451.

Haupt, Archivalienquartett.

Steffan, Kernhaus-Fresken.

Literatur

Heiserer, Geschichte Wasserburg, 284.

Bezold, Bezirksämter Traunstein und Wasserburg, 2119.

Sieghardt, Familie von Kern.

H. Ch. K., Kernhausfassade.

Heck, Kernhausfassade.

Thon, Johann Baptist Zimmermann, 188-190, 334f.

Sattler/Ettelt, Bürgerhaus Inn Salzach, 22.

Bauer und Bauer, Johann Baptist und Dominikus Zimmermann, 250, 320.

Liedke, Bürgerhaus Altbayern, 108, 162.

Birkmaier, Abraham Kern.

März, Dachmodell Kernhaus.

Empfohlene Zitierweise:

Gerald Dobler, Kernhaus, publiziert am 15.07.2020 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Kernhaus (16.04.2024)
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  1. Birkmaier, Abraham Kern, 170.
  2. Birkmaier, Abraham Kern, 173.
  3. März, Dachmodell Kernhaus, 112. Zu dem Vordach hat sich im StadtA Wasserburg a. Inn ein Papiermodell von Abraham Kern erhalten (ZA, VI5065); Birkmaier, Abraham Kern, 176, 178 gibt für 1590 unter anderem den Anstrich der Fassaden und von Innenräumen und den Einbau einer Kassettendecke in der "herunteren großen Stube" an, für 1595/96 weitere Umbauten.
  4. März, Dachmodell Kernhaus, 101.
  5. Heiserer, Geschichte Wasserburg, 284.
  6. Heiserer, Geschichte Wasserburg, 284.
  7. Haupt, Archivalienquartett, 3.
  8. Haupt, Archivalienquartett, 3.
  9. Thon, Johann Baptist Zimmermann, 335: erste Restaurierung vielleicht in klassizistischer Zeit.
  10. StadtA Wasserburg a. Inn, II1501.
  11. Haupt, Archivalienquartett, 2.
  12. Thon, Johann Baptist Zimmermann, 335.
  13. StadtA Wasserburg a. Inn, II699.
  14. Thon, Johann Baptist Zimmermann, 335; Gedenktafel von 1955 am Gebäude. Der Ankauf erfolgte auf Vorschlag der Brüder Franz Xaver und Hans Huber mit gestifteten Mitteln von Dr. Ing. Dr. rer. nat. h. c. Fritz Huber.
  15. StadtA Wasserburg a. Inn, II699.
  16. Thon, Johann Baptist Zimmermann, 335.
  17. Zeitungsartikel vom 26.4.1971.