Altstadt, Burgerfeld, Wuhr/Tegernau

Aus Historisches Lexikon Wasserburg
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Autor: Angelika Oettl

"Wildes" Siedeln und informelles Wachstum außerhalb der Kernstadt

Das Augenmerk der Wasserburger Kommunalpolitik im 19. Jahrhundert lag vornehmlich auf der Verbesserung der sozialen Verhältnisse, der Ausbau der öffentlichen Infrastruktur und der Erhaltung öffentlicher Einrichtungen „in baulicher und funktionaler Hinsicht“.[1] Auch die Stadtbrände 1874 und 1885 richteten das Augenmerk auf die Kernstadt. Die Erweiterung des Stadtraums in diesem Zeitraum verlief entsprechend ohne grundlegende stadtplanerische Vorgaben entlang der Verkehrswege, wodurch eine klare Abgrenzung der Stadt nach außen zunehmend verloren ging.[2] Der Topographie der Stadt entsprechend, konnte sich die Siedlungstätigkeit vorwiegend auf zwei Bereiche konzentrieren: zum einen das Gebiet entlang der Innschleife und der sog. Schopperstadt (BK!), zum anderen das Gebiet jenseits der Roten Brücke. Hier hatte sich bereits durch den Hopfenanbau im Stadtgebiet seit Ende des 18. Jahrhunderts Brauereibetriebe mit Sommerkellern am Kellerberg und Gasthäusern, sowie vereinzelt Gewerbebetriebe angesiedelt.(R!)

Im Gebiet jenseits des Inns lassen sich zwei unterschiedliche Aspekte der Bebaung des ausgehenden 19. Jahrhunderts verorten: zum einen musste die Stadt Wasserburg als Verwaltungssitz des Bezirks Wasserburgs bestimmte öffentliche Gebäude vorhalten, die zum Teil auch am Stadtrand entlang der Verkehrswege errichtet wurden. Beispiele hierfür sind das Forstamt und das Rentamt (Finanzamt). Zum anderen erlebte man hier einen - wenn auch begrenzten - "Drang zur Natur". Zentral war dabei das Zusammenspiel mit dem Fremdenverkehr. Im Einzugsbereich Münchens waren so abgelegene Villen zunächste zur Sommerfrische und als Rückzugsort entstanden. Sukzessive siedelte sich wohlhabendes Klientel an, aus Einzelvillen wurden "Villenlandschaften"; der Bau von Eisenbahnstrecken verstärkte diese Entwicklung.[3].

Auch in Wasserburg versuchte man den Fremdenverkehr zu beleben. Bei der Kirche St. Achaz betrieb die Leprosenhausstiftung ein Heilbad, das nach einem Neubau 1857 regen Zuspruch auch von Auswärtigen erfuhr. 1890 wurde es in eine Kneipp-Badeanstalt umgebaut, Gästezimmer eingerichtet und die Außenanlagen ansprechend gestaltet. Zwar wurde der Betrieb der Badeanstalt bereits wenige Jahre später eingestellt und das Gebäude für das Pensionat der in der Innenstadt gelegenen Realschule genutzt,[4]doch war die Umgebung durch die bereits bestehenden Bebauung in der Folgezeit in den Fokus einer aus dem Verschönerungsverein Wasserburg gegründeten Villenbaugesellschaft geraten. Diese startete 1908 die Initiative, am Fuße des Magdalenenberges eine Villenlandschaft zu errichten. Durch die Bebauung waren Versorgungseinrichtungen , wie Wasserleitungen, bereits vorhanden und der Weg in die Stadt über die bestehenden Straßen kurz. Gleichzeitig wurde das Wuhrtal als Erholungsgebiet angepriesen. Eine erste Villa (die spätere sogenannte Villa Hagen)wurde ab 1908 errichtet und 1913 an einen Ingenieur verkauft. Im gleichen Jahr löste sich die Villenbaugesellschaft auf, da es an der Nachfrage für derartige Gebäude fehlte. Um 1900 waren jedoch bereits weitere Privatvillen in der Umgebung entstanden: 1900 die Overbeck-Villa und 1908 eine Villa am Hochgarten.[5] 1913/14 erhielt die Realschule - das bisherige Gebäude war durch die sukzessive Erweiterung zu einer sechsstufigen Realschule zu klein geworden - einen Neubau in unmittelbarer Nachbarschaft zum bestehenden Schülerheim.

Westlich der Kernstadt lieferte die Entscheidung, eine Bahnstrecke bis in die Stadt Wasserburg zu verlegen, wesentliche Impulse zur Veränderung. Nachdem 1900 die Führung der Strecke von Ebersberg in die Stadt Wasserburg genehmigt worden war, wurde als erster Teilabschnitt die Strecke zwischen der Bahnstation in Reitmehring und der Stadt Wasserburg in Angriff genommen. Der Kopfbahnhof in der Stadt sollte auf dem alten Triebwerkskanal des an dieser Stelle betriebenen Sägewerks entstehen, der den "Hals" - die Landverbindung der Halbinsel - in einem Tunnel durchstieß. Die Stadt Wasserburg kaufte dem Eigentümer Josef Gimpl. das Gesamtgrundstück für den Bahnhof und Gleiskörper mit 3,64 Tagwerk samt Triebwerksrecht und vorhandenen Gebäuden ab.[6] Die nicht für den Bahnhof und Gleiskörper genutzte Fläche (benötigt wurden nur 2,2 Tagwerk) wurde zunächst als Krautgärten verpachtet, bildete aber in der Folgezeit die Grundlage für die Besiedelung in diesem Bereich. Grundsätzlich wurde das Gebiet um dem Bahnhof schrittweise erschlossen. War zunächst gegenüber des Bahnhofsgebäudes ein Gasthaus errichtet worden, wurde erst in den 1920er Jahren der Platz vor dem Bahnhof gestaltet, Postgebäude und eine Autohalle gebaut und die Straße zum Bahnhof hin ausgebaut. Sukzessive siedelten sich Gewerbe an, um Waren günstig weiter transportieren zu können.

Planmäßige Erschließung ab 1918

War bereits vor dem Ersten Weltkrieg in vielen bayerischen Städten der Wohnraum knapp, verschärfte sich die Situation mit dem Ende des Krieges noch weiter. Neben zwangswirtschaftlichen Maßnahmen, die den bestehenden Wohnraum betrafen - gemeint sind Wohnraumbewirtschaftung und Mietenkontrolle) - setzte die Politik auf die Förderung des Wohnungsbaus. Auch in der Stadt Wasserburg bemühte man sich in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg um die Beseitigung des Wohnraummangels.[7]

Wie angespannt die Lage in Wasserburg nach 1918 war lässt sich in den Akten der Wohnungskommission ablesen. Gemäß Stadtratsbeschluss vom 18. März 1922 war eine Wohnungskommission eingesetzt worden, deren Tätigkeiten - entsprechend den bestehenden Vorschriften zur BEkämpfung der Wohnungsnot - der eines gemeindlichen Wohnungsamts gleichzusetzen war. Wohnungsgesuche oder Wohnungstausch wurde fortan von dieser Kommission geregelt.

"Ausblick": Siedlungsplanung für die Nachkriegszeit

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Empfohlene Zitierweise:
Angelika Oettl, Altstadt, Burgerfeld, Wuhr/Tegernau, publiziert am 20.11.2018 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Altstadt,_Burgerfeld,_Wuhr/Tegernau (18.05.2024)


  1. Vgl. dazu: Martin Geiger, Wasserburg am Inn. Ein geschichtlicher Abriss ( = Heimat am Inn 1), 1984, 43.
  2. Klaus Fehn, Die Siedlungsraumtypen, in: Alois Schmid (Hg.), Handbuch der Bayerischen Geschichte, IV, 2, 2007, 37 - 71, 45.
  3. Tobias Mahl, Landsitze Münchner Bürger (19./20. Jahrhundert), publiziert am 25.08.2008; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL:>https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Landsitze_Münchner_Bürger_(19./20._Jahrhundert) (19.11.2018)
  4. R! https://www.kneippverein-wasserburg-inn.de/kneipp-bad-wasserburg.html (19.11.2018)
  5. Zur Villenbaugesellschaft s. StadtA Wasserburg a. Inn II 2564. Zur Auflösung s. Wasserburger Anzeiger 1913, Nr. 53.
  6. Martin Geiger, Dampfroß ohne Feuer. Ein Eisenbahnbau in Oberbayern (= Heimat am Inn 3), 1982, 175, 177.
  7. S. Ines Müller, 229, die auf eine Beilage des STadtratsprotokolls vom 16.10.1929 verweist. Neben der Wohnungsbaupolitik bemühte man sich in den 1920er Jahren die Verbesserung der Infrastruktur.