Der Kampf um die Eisenbahn: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Historisches Lexikon Wasserburg
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 22: Zeile 22:
  
 
== Eine neue Möglichkeit: Der Ausbau des Lokalbahnnetzes ==
 
== Eine neue Möglichkeit: Der Ausbau des Lokalbahnnetzes ==
oirgthsepbgibnd
+
Zur Verdichtung des Eisenbahnnetzes und zur weiteren Erschließung des ländlichen Raumes war ein weiterer Ausbau des Hauptbahnnetzes mit den dafür vorgeschriebenen Standards nicht rentabel zu bauen und betreiben. Um den Bau von Nebenbahnen zu beschleunigen, erließ der Landtag 1869 das so genannte „Vizinalbahngesetz“, das erste Regelungen für den Bau lokaler Bahnstrecken festsetzte. Durch eine einfache Konstruktion, vereinfachten Betrieb und niedrige Fahrtgeschwindigkeit, sowie eine fehlende Bahnkörperüberwachung konnten bei den Vizinal- und Lokalbahnen Kosten eingespart werden. Doch um auch die Kosten des Staates zu senken, bürdete es den Anliegergemeinden die Kosten für Grunderwerb und bis zu einer Gesetzesänderung auch der Erdarbeiten auf (sog. „Lokalbahngesetz“ 1882). Allein der Grunderwerb stellte allerdings für Gemeinden, die bereits durch einen fehlenden Eisenbahnanschluss wirtschaftlich schlechter gestellt waren, ein großes Hindernis dar.<ref>Emma Mages, Eisenbahn in Bayern, in: Evamaria Brockhoff (Hg.): Eisenbahn in Bayern 1835 - 2019 (Edition Bayern. Geschichte, Sonderheft 1), 2010, 54 - 93, 60 f. Ebenso: Deutinger, Eisenbahn (wie Anm. 8), 252.</ref>
 +
 
 +
Ob eine Bahnstrecke gebaut werden durfte, entschied der Landtag. Die Mittel waren begrenzt, entsprechend mussten die Bauprojekte ausgewählt werden. Wasserburg fehlten einflussreiche Abgeordnete und Fürsprecher in den entsprechenden Gremien.<ref>So Geiger, Dampfroß (wie Anm. 3), 156 f.</ref> Zum Ziel führte ein hartnäckiges Ringen; wiederholte Anträge teils für unterschiedliche Streckenführungen brachten schrittweise Erfolge. Zum Erfolg führte ein hartnäckiges Ringen um einen Anschluss, der endgültige Beschluss des Ministeriums zum Bau der Strecke Ebersberg Wasserburg Stadt sollte erst 1900 erreicht werden. Wiederholte Anträge teils für unterschiedliche Streckenführungen brachten erst schrittweise Erfolge. Nach der Konstituierung eines Eisenbahnkomitees 1884 bemühte man sich um zunächst um eine Strecke zwischen Kirchseeon oder Grafing und Wasserburg, sowie Wasserburg und Trostberg.
  
  

Version vom 13. November 2018, 19:01 Uhr

Autor: Angelika Oettl

Eisenbahn und Eisenbahngeschichte bis 1945

Die Eröffnung der privaten Bahnstrecke Nürnberg - Fürth im Jahr 1835 führte Bayern und das Deutsche Reich in eine neue Epoche, die des sog. "Eisenbahnzeitalters". Da sich ein Erfolg dieses neuen Verkehrswegs bereits früh abzeichnete, setzte der Staat bereits zeitnah (1836) rechtliche Grundlagen für den Bahnbau und beeinflusste maßgeblich die Streckenführung durch die Konzessionspflicht, 1843 folgte die Einrichtung von Staatsbahnen zur Erschließung kostenintensiver Hauptstrecken. Ein Anschluss an das Eisenbahnnetz versprach den Orten anhaltenden wirtschaftlichen Nutzen durch den kontinuierlichen Durchgangsverkehr von Personen und Waren.[1]


Das Ringen um einen Anschluss an das Hauptbahnnetz 1837 - 1875

Gleichzeitig mit dem Ausbau des bayerischen Eisenbahnnetzes war in Wasserburg die Furcht vor einem allgemeinen und wirtschaftlichen Niedergang der Stadt gegenwärtig. Eingeläutet sah man die Entwicklung der Stadt durch die schrittweise Auflösung "auf alten Rechten beruhender Bindungen und Zusammenhänge", sichtbar zunächst in der Errichtung der Saline Rosenheim 1816 und der allmählichen Verlagerung der Handelswege.[2] Bereits 1837 hob Wasserburger Stadtschreiber Josef Heiserer in einer Denkschrift die Bedeutung der Eisenbahn als Transportmittel hervor, in der er sich entsprechend kritisch über die seit 1835 projektiere Eisenbahnstrecke von München nach Salzburg über Rosenheim äußerte. Diese hatte bereits 1836 eine Konzession erhalten; Heiserer befürchtete dadurch eine weitere Marginalisierung Wasserburgs als Handelsplatz.[3] Waren diese ersten Untersuchungen aus wirtschaftlichen Gründen früh wieder eingestellt worden, bemühte sich der Magistrat Wasserburgs nachdem 1848 eine weitere Konzession für den Bau der Strecke über Rosenheim erteilt worden war um eine Veränderung der Streckenführung über Wasserburg. Die Trassenführung über Rosenheim stand jedoch bereits fest; der Bau der Strecke über Rosenheim nach Salzburg wurde 1850 genehmigt. Gleichzeitig hatte der Wasserburger Stadtmagistrat ein Gesuch an das bayerische Landgericht gerichtet.[4]

Als in den 1850er Jahren viele Städte und Gemeinden den wirtschaftlichen Nutzen eines Eisenbahnanschlusses erkannten, setzte ein regelrechter Run auf den Bayrischen Landtag ein, Petitionen wurden eingereicht, Interessensgruppen und Eisenbahnvereine in unterschiedlichen und wechselnden Konstellationen gegründet. Der Südosten Bayerns war mit Ausnahme der Strecke München-Rosenheim-Salzburg mit einer Abzweigung in das obere Inntal (in Richtung Brenner) und einer Strecke München – Landshut- Straubing – Passau um 1860 weitestgehend unerschlossen. Entsprechend nachhaltig wurde auch in diesem Gebiet nach möglichen Bahnstecken verlangt. Vor allem eine Weiterführung der Strecke aus dem Süden (Brennerbahn) mit Endpunkt Rosenheim in Richtung Norden in Umgehung Münchens bot der Region die Möglichkeit einen Anschluss an das Eisenbahnnetz zu erhalten. Bereits 1860 ließ die Stadt Wasserburg auf eigene Kosten ein Gutachten erstellen, bei dem eine Süd-Ostverbindung entlang des Inntals bis Neuötting entstehen sollte.[5] Doch als sich auch weitere Gemeinden um ähnliche Projekte bemühten, fasste der Bayerische Landtag am 10. November 1861 den Beschluss, das Ergebnis einer noch ausstehenden Untersuchung über sämtliche Eisenbahnverbindungen im südöstlichen Bayern abzuwarten. Demnach wurde auch für die in Aussicht genommene Strecke Rosenheim – Wasserburg – Neuötting keine Projektierungs- und Baukonzessionen erteilt.[6]

In den folgenden Jahren kristallisierten sich jedoch andere Streckenführungen heraus. Sowohl Straubing (über Mühldorf am Inn) als auch Landshut bemühten sich um eine Verbindung von Rosenheim über Wasserburg in den Norden. Gleichzeitig bemühte man sich um eine Neuführung der bereits überlasteten Strecke München – Rosenheim. Dabei rückte eine Trasse über Kirchseeon ins Blickfeld, deren Weiterführung über Erding in Richtung Landshut ebenfalls ins Spiel gebracht wurde und deren Vorteil eine schnellere und weniger steigungsreiche Streckenführung war.[7]

Bereits 1865 hatte der Landtag die Regierung beauftragt einen Gesamtplan für ein Eisenbahnnetz zu erstellen, das 1869 im Gesetz zur "Vervollständigung des bayr. Staatseisenbahnnetz" verwirklicht wurde.[8] Darin fand die Strecke Rosenheim - Mühldorf Eingang. Das jahrelange Ringen um die Streckenführung, das in einer Vielzahl von Schreiben, Petitionen an den Landtag, Denkschriften an den König gemündet hatte, war beendet.[9]

1870 wurden erste Projektierungsmaßnahmen durchgeführt und bereits früh zeigte sich, dass die Streckenführung an der Stadt Wasserburg vorbei geplant wurde. Insgesamt hatte man für den schwierigen Streckenabschnitt um Wasserburg drei Projekte ausgearbeitet: eine Strecke mit sehr steigungsreicher Führung über Stephanskirchen an der rechten Innseite entlang über Jettenbach nach Mühldorf. Eine zweite sollte den Inn einmal bei Altenhohenau queren, entlang der Hopfengärten geführt südlich von Wasserburg ein zweites Mal und schließlich die Staatsstraße untertunneln. Das dritte, kostengünstigste Projekt sah eine Streckenführung mit einem Bahnhof eine geometrische Stunde[10] von Wasserburg entfernt in Reitmehring vor.[11] Entsprechend resiginiert nahm man in der Stadt Wasserburg die Entscheidung hin; ein direkter Anschluss mit einem Bahnhof in der Stadt oder wenigstens südlich des Inns in der Ponschabau war erneut in weite Ferne gerückt.

Am 1. Mai 1876 wurde die Strecke nach rund fünfjähriger Bauzeit eingeweiht. Die Entfernung des Bahnhofs von der Stadt, sowie die als unzureichend empfundenen Zugverbindungen sorgten auch in der Folgezeit für Unmut. Erst mit dem Sommerfahrplan 1890 wurden beispielsweise auch nachmittags Züge zwischen Rosenheim und Mühldorf eingesetzt.[12]


Eine neue Möglichkeit: Der Ausbau des Lokalbahnnetzes

Zur Verdichtung des Eisenbahnnetzes und zur weiteren Erschließung des ländlichen Raumes war ein weiterer Ausbau des Hauptbahnnetzes mit den dafür vorgeschriebenen Standards nicht rentabel zu bauen und betreiben. Um den Bau von Nebenbahnen zu beschleunigen, erließ der Landtag 1869 das so genannte „Vizinalbahngesetz“, das erste Regelungen für den Bau lokaler Bahnstrecken festsetzte. Durch eine einfache Konstruktion, vereinfachten Betrieb und niedrige Fahrtgeschwindigkeit, sowie eine fehlende Bahnkörperüberwachung konnten bei den Vizinal- und Lokalbahnen Kosten eingespart werden. Doch um auch die Kosten des Staates zu senken, bürdete es den Anliegergemeinden die Kosten für Grunderwerb und bis zu einer Gesetzesänderung auch der Erdarbeiten auf (sog. „Lokalbahngesetz“ 1882). Allein der Grunderwerb stellte allerdings für Gemeinden, die bereits durch einen fehlenden Eisenbahnanschluss wirtschaftlich schlechter gestellt waren, ein großes Hindernis dar.[13]

Ob eine Bahnstrecke gebaut werden durfte, entschied der Landtag. Die Mittel waren begrenzt, entsprechend mussten die Bauprojekte ausgewählt werden. Wasserburg fehlten einflussreiche Abgeordnete und Fürsprecher in den entsprechenden Gremien.[14] Zum Ziel führte ein hartnäckiges Ringen; wiederholte Anträge teils für unterschiedliche Streckenführungen brachten schrittweise Erfolge. Zum Erfolg führte ein hartnäckiges Ringen um einen Anschluss, der endgültige Beschluss des Ministeriums zum Bau der Strecke Ebersberg Wasserburg Stadt sollte erst 1900 erreicht werden. Wiederholte Anträge teils für unterschiedliche Streckenführungen brachten erst schrittweise Erfolge. Nach der Konstituierung eines Eisenbahnkomitees 1884 bemühte man sich um zunächst um eine Strecke zwischen Kirchseeon oder Grafing und Wasserburg, sowie Wasserburg und Trostberg.



Empfohlene Zitierweise:
Angelika Oettl, Der Kampf um die Eisenbahn, publiziert am 13.11.2018 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Der_Kampf_um_die_Eisenbahn (18.05.2024)


  1. Rainer Gömmel, Die Bildung des Modernen Bayern und seine Wirtschaftsverwaltung, in: Alois Schmid (Hg.): Handbuch der Bayerischen Geschichte. Bd. IV,2, 2007, 216 -228, 223 f.
  2. Martin Geiger, Wasserburg am Inn. Geschichtlicher Abriss (Heimat am Inn 1), 1980, 40.
  3. Martin Geiger, Dampfroß ohne Feuer. Ein Eisenbahnbau in Oberbayern (Heimat am Inn 2), 1982, 54 - 56.
  4. Geiger, Dampfroß (wie Anm. 3), 54 - 59. Gleichzeitig mit der Konzession der Streckenführung über Rosenheim hatte Joseph Anton von Maffei eine weitere für eine Schifffahrtslinie von Rosenheim nach Passau beantragt.
  5. Geiger, Dampfroß (wie Anm. 3), 67 f.
  6. Geiger, Dampfroß (wie Anm. 3), 71.
  7. Geiger, Dampfroß (wie Anm. 3), 77 - 85.
  8. Stephan Deutinger, Eisenbahn und Landesentwicklung im Königreich Bayern, in: Weichenstellungen. Eisenbahnen in Bayern (Kat. Ausst. d. Bayerischen Hauptstaatsarchivs), 2001, 248 - 273, 251 f.
  9. Hierzu ausführlich: Geiger, Dampfroß (wie Anm. 3), 84 - 97.
  10. Histor. Wegmaß: eine geometrische Stunde entsprach in Bayern 1/2 Meile, 12703 (bayr.) Fuß oder 3707,49 Meter.
  11. Geiger, Dampfroß (wie Anm. 3), 98 f.
  12. Geiger, Dampfroß (wie Anm. 3), 103 ff.
  13. Emma Mages, Eisenbahn in Bayern, in: Evamaria Brockhoff (Hg.): Eisenbahn in Bayern 1835 - 2019 (Edition Bayern. Geschichte, Sonderheft 1), 2010, 54 - 93, 60 f. Ebenso: Deutinger, Eisenbahn (wie Anm. 8), 252.
  14. So Geiger, Dampfroß (wie Anm. 3), 156 f.