Haberfeldtreiben: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Die Haberfedtreiben im LG-Bezirk Wasserburg'''
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'''Die Haberfeldtreiben im Landgerichtsbezirk Wasserburg'''<br><br>
 
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Unter ''Haberfeldtreiben'' versteht man einen Spott- oder Rügebrauch im Gebiet zwischen Isar und Inn. Von einem harmlosen katzenmusikähnlichen Spott-Aufzug zu Beginn des 18. Jahrhunderts hat er sich zu einem kriminelle und geheimbündlerische Züge annehmenden Rügegericht gewandelt. Durch Literatur und Kunst idealisiert, wurde er im Nationalsozialismus als Beispiel hochstehenden germanischen Sittengefühls missdeutet. Ab dem  19. Jahrhundert bildeten die ''Haberer'' einen militärisch organisierten Geheimbund, um bei der Abhaltung ihrer nächtlichen Exzesse der behördlichen und polizeilichen Verfolgung zu entgehen. Als aber ab 1892 mehrere Mitglieder aus Gefallsucht oder aus Rache ihr Schweigen brachen, wurden über 100 von ihnen gefasst und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Mindestens ebenso viele flohen vor der Verfolgung mit ihren Familien nach Nord- oder Südamerika. Die Bedeutung und Herkunft des Ausdrucks ''Haberfeldtreiben'' ist nicht eindeutig geklärt. Schmeller verweist auf Hans Sachs, bei dem der Ausdruck ''jemand auf die Haberwaid schlagen'' mit der Bedeutung ''jemanden sitzen lassen, einen Korb geben'' zu  finden ist. Ursprünglich war das Opfer einer solchen Katzenmusik eine sitzen gelassene schwangere Bauerntochter. Es könnte also durchaus sein, dass man diesen Vorgang, dass eine Frau, die von ihrem Liebhaber ''ins oder aufs Haberfeld getrieben'' wurde, öffentlich machte und ihn ebenso bezeichnete.
 
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=Erste Beschreibung eines Haberfeldtreibens  1716=
 
=Erste Beschreibung eines Haberfeldtreibens  1716=
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Die  erste, urkundlich belegte Information über das Haberfeldtreiben enthält ein Protokoll des Hofmarksgerichts Fagen vom  22.12.1716:<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StAM, BrPr 902|StAM, BrPr 902]].</ref><br>
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''Hannß Steindl Kistler zu Fagn clagt Casparn  Kolb Mezgern und Mathiaßen Holzer beide von Fagn dieselbe haben sambt mehr and. cons. am verwichen Herbst nit allein sein clegers tochter zum spot in das sogenante haber veld getriben, das ist mit allerhand iniuriosen, geschray, schnalzen und stain werfen sambt and. Rumorereyen veriebet, sondern auch ihmbe Cleger sein Holzschupfen eingerissen und ihm dardurch wenigstens pt:1 fl 30 k: schaden verursacht, umb dessen guetmachung er gehorsambst bittet, der straff nit massgebent.''<br>
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Die Beschuldigten antworten, sie wüßten nichts vom Einreissen eines Schupfen, geben aber freimütig die Namen aller Beteiligten an, soweit sie diese in der Dunkelheit erkannt hatten. ''weillen aber solches haaber Veld treiben umb diese gegend sehr gebreichig, und durch solche possen niemand nichts proiudicirt würdt, dessen hoffen sye hierdurch nichts verworcht zuhaben, sondern bitten umb absolution.'' In den Briefprotokollen des Hofmarkgerichts Vagen von 1642-1802 findet sich zwar kein weiterer Eintrag über ein Treiben, aufgrund der Aussagen der Beschuldigten darf man aber annehmen, dass ''solche Possen'' in der Gegend des Mangfallbogens öfters verübt wurden.
  
 
=Haberfeldtreiben hundert Jahre später=
 
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==Versuchtes Haberfeldtreiben in Rosenheim 29.10.1866==
 
==Versuchtes Haberfeldtreiben in Rosenheim 29.10.1866==
 
==Söchtenau  Bez.Amt Rosenheim 14./15.2.1867==
 
==Söchtenau  Bez.Amt Rosenheim 14./15.2.1867==
 
  
  

Version vom 10. März 2020, 11:49 Uhr

Autor: Alfons Schieder


Die Haberfeldtreiben im Landgerichtsbezirk Wasserburg

Unter Haberfeldtreiben versteht man einen Spott- oder Rügebrauch im Gebiet zwischen Isar und Inn. Von einem harmlosen katzenmusikähnlichen Spott-Aufzug zu Beginn des 18. Jahrhunderts hat er sich zu einem kriminelle und geheimbündlerische Züge annehmenden Rügegericht gewandelt. Durch Literatur und Kunst idealisiert, wurde er im Nationalsozialismus als Beispiel hochstehenden germanischen Sittengefühls missdeutet. Ab dem 19. Jahrhundert bildeten die Haberer einen militärisch organisierten Geheimbund, um bei der Abhaltung ihrer nächtlichen Exzesse der behördlichen und polizeilichen Verfolgung zu entgehen. Als aber ab 1892 mehrere Mitglieder aus Gefallsucht oder aus Rache ihr Schweigen brachen, wurden über 100 von ihnen gefasst und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Mindestens ebenso viele flohen vor der Verfolgung mit ihren Familien nach Nord- oder Südamerika. Die Bedeutung und Herkunft des Ausdrucks Haberfeldtreiben ist nicht eindeutig geklärt. Schmeller verweist auf Hans Sachs, bei dem der Ausdruck jemand auf die Haberwaid schlagen mit der Bedeutung jemanden sitzen lassen, einen Korb geben zu finden ist. Ursprünglich war das Opfer einer solchen Katzenmusik eine sitzen gelassene schwangere Bauerntochter. Es könnte also durchaus sein, dass man diesen Vorgang, dass eine Frau, die von ihrem Liebhaber ins oder aufs Haberfeld getrieben wurde, öffentlich machte und ihn ebenso bezeichnete.

Erste Beschreibung eines Haberfeldtreibens 1716

Die erste, urkundlich belegte Information über das Haberfeldtreiben enthält ein Protokoll des Hofmarksgerichts Fagen vom 22.12.1716:[1]
Hannß Steindl Kistler zu Fagn clagt Casparn Kolb Mezgern und Mathiaßen Holzer beide von Fagn dieselbe haben sambt mehr and. cons. am verwichen Herbst nit allein sein clegers tochter zum spot in das sogenante haber veld getriben, das ist mit allerhand iniuriosen, geschray, schnalzen und stain werfen sambt and. Rumorereyen veriebet, sondern auch ihmbe Cleger sein Holzschupfen eingerissen und ihm dardurch wenigstens pt:1 fl 30 k: schaden verursacht, umb dessen guetmachung er gehorsambst bittet, der straff nit massgebent.
Die Beschuldigten antworten, sie wüßten nichts vom Einreissen eines Schupfen, geben aber freimütig die Namen aller Beteiligten an, soweit sie diese in der Dunkelheit erkannt hatten. weillen aber solches haaber Veld treiben umb diese gegend sehr gebreichig, und durch solche possen niemand nichts proiudicirt würdt, dessen hoffen sye hierdurch nichts verworcht zuhaben, sondern bitten umb absolution. In den Briefprotokollen des Hofmarkgerichts Vagen von 1642-1802 findet sich zwar kein weiterer Eintrag über ein Treiben, aufgrund der Aussagen der Beschuldigten darf man aber annehmen, dass solche Possen in der Gegend des Mangfallbogens öfters verübt wurden.

Haberfeldtreiben hundert Jahre später

Die ersten Haberfeldtreiben im oder am Rande des Landgerichtsbezirk Wasserburg ab 1834

Rott am Inn 17_/18.10.1846

Prutting 8./9.12.1850

Rott 10./11. 11.1864

Albaching LG Haag, BezA. Wasserburg 6./7.12.1864

Schechen 30.9./1.10. 1865

Edling 17./18.11.1865

Rosenheim- Versuch eines Haberfeldtreibens 2./3.12.1865

Hohenlinden, BezA Ebersberg, BezA Wasserburg 13./14.1.1866

Griesstädt 17./18.1.1866

Bruckhof 7./8.2.1866

Hintsberg bei Steinhöring 15./16.2.1866

Wasserburg, Februar 1866

Evenhausen, 23./24.2.1866

Kraiss, Gde. Steinhöring, 5./6.4.1866

Versuchtes Haberfeldtreiben in Rosenheim 29.10.1866

Söchtenau Bez.Amt Rosenheim 14./15.2.1867

Die Haberfeldtreiben von 1864 bis 1867

Die Haberfeldtreiben von 1893 bis 1905

Verhaftungswelle 1896

Letzte Treiben 1901 bis 1905

Zusammenfassung des Wandels des Erscheinungsbildes

Woher kommt der Ausdruck Haberfeldtreiben oder ins Haberfeld treiben

Heimat des Haberfeldtreibens

Haberer heute

Literatur (Auswahl)