Wappen und Siegel der Stadt Wasserburg

Aus Historisches Lexikon Wasserburg
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Autor: Daniel Rittenauer

Allgemeine Einführung

Die frühesten Darstellungen mittelalterlichen Wappen sind in der Regel auf Siegeln überliefert.[1] Der Beginn städtischer Siegel liegt im frühen 12. Jahrhundert; die ältesten Stadtsiegel im westeuropäischen Raum finden sich bei den Bischofsstädten am Rhein. Die Siegelführung durch Städte verbreitet sich im Folgenden rasch. Zu den häufigsten Symbolen, die sich auf frühen städtischen Siegeln fanden, zählen Stadtabbreviatur, Heilige und sprechende Figuren.

Wasserburg am Inn gehört hingegen zu den wenigen Städten, die im 13. bzw. frühen 14. Jahrhundert einen Löwen als Wappentier führten. Der steigende, gekrönte Löwe im Wasserburger Wappen ist erstmals auf einem Siegelabdruck aus dem Jahr 1292 überliefert, dessen Entstehung für die Mitte des 13. Jahrhunderts angenommen wird.[2] Farbige Darstellungen des Wappens existieren ungefähr ab dem 14. / 15. Jahrhundert; sie sind hauptsächlich in Rot und Silber gehalten. Als sicher darf angenommen werden, dass der Löwe, der ab dem 12. Jahrhundert zum beliebtesten Wappentier innerhalb des europäischen Adels wurde , von einem Adelsgeschlecht übernommen worden ist. In Frage kommen hierbei zum einen die Grafen von Wasserburg, zum anderen die bayerischen Herzöge aus der Familie der Wittelsbacher, die 1229 erstmals einen Löwen in ihrem Herzogssiegel führten, der auf ihre Verbindung mit den Pfalzgrafen bei Rhein zurückgeht.

Es soll bereits an dieser Stelle vorab festgestellt werden, dass der Löwe im Wappen der Stadt Wasserburg wittelsbachischer Herkunft ist. Allerdings bringt diese Zuweisung auch klärungsbedürftige Probleme mit sich, zu deren Lösung im Folgenden ein Beitrag geleistet werden soll. Vor allem stellt das Wasserburger Stadtwappen für seine Zeit eine bemerkenswerte Singularität unter den wittelsbachisch-bayerischen Städten dar: Keine andere Stadt im Herzogtum Bayern, für die in der Zeit, aus der das erste Wasserburger Siegel überliefert ist, führte darin ausschließlich einen Löwen. Wenn im 13. Jahrhundert die landesherrliche Zugehörigkeit in kommunalen Siegeln bzw. Wappen zum Ausdruck kam – und das war noch nicht häufig der Fall –, so erfolgte dies bevorzugt durch die bogischen Wecken. Lediglich Rain am Lech und wahrscheinlich auch Schrobenhausen führten – allerdings in Verbindung mit den Wecken – den pfälzischen Löwen in ihren Siegeln, die für die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert überliefert sind. In späteren Wappendarstellungen folgen diese Städte schließlich – anders als Wasserburg – der Tingierung des pfälzischen Löwen (Gold und schwarz sowie rot). Eine besondere Notwendigkeit, den Löwen im Stadtwappen von Wasserburg zur besseren Unterscheidung von Wappen anderer Städte in anderen Farben als den pfälzischen zu gestalten, lag wegen nicht bestehender Verwechslungsgefahr eigentlich nicht vor.

Die Grafen von Wasserburg

Diese Gründe, die Anlass geben, eine wittelsbachische Herkunft des Wasserburger Löwen zur Disposition zu stellen, führen zur Frage, inwieweit eine Herleitung des heraldischen Symbols von den Grafen von Wasserburg in Betracht gezogen werden kann. Zwar ist diese Möglichkeit nicht sehr wahrscheinlich, sie soll hier aber trotz allem diskutiert werden, auch weil dadurch die Rezeptionsgeschichte des Wasserburger Wappens miterfasst wird.

Die Grafen von Wasserburg stellten eines jener Adelsgeschlechter in Bayern dar, die im Laufe des 12. Jahrhundert erloschen, während ihre Güter auf die ein oder andere Weise dem Herzog anheimfielen.[3] Im Falle der Wasserburger war ursprünglich vorgesehen, dass die Besitzungen des letzten ihres Geschlechtes, Graf Konrad als Erbschaft auf die Wittelsbacher übergehen sollte. Konrad setzte Herzog Otto II. als Erben ein, ehe es zwischen den beiden Vettern – Konrads Mutter war die Tochter des ersten wittelsbachischen Herzogs von Bayern, Otto I. – im Kontext des Konflikts zwischen Kaiser Friedrich II. und Papst Innozenz IV. zum Zerwürfnis kam: War Konrad von Wasserburg bis 1246 Verbündeter des bayerischen Herzogs, den er in seinen Auseinandersetzungen gegen den Andechsern oder den Grafen von Falkenstein unterstützte, standen sie seit dem Wechsel Ottos II. in das staufische Lager auf unterschiedlichen Seiten. Die Aufnahme des päpstlichen Legaten Albert Beham in Wasserburg führte 1247 schließlich dazu, dass der bayerische Herzog militärisch gegen Graf Konrad vorging. Der ältere Sohn Ottos II., der nachmalige Herzog Ludwig II., belagerte Wasserburg mehrere Monate lang und konnte es im November 1247 schließlich erobern. Graf Konrad floh aus der Stadt und verstarb zwölf Jahre später, seine Besitzungen gingen auf den bayerischen Herzog über.

1790 leitete Franz Sebastian Meidinger die Herkunft des Löwen im Wasserburger Stadtwappen in seiner "Historischen Beschreibung verschiedener Städte und Märkte der kurfürstlich pfalzbaierischen Rentämter" von den Grafen von Wasserburg ab.[4] Dieser Annahme folgen in der ersten ausführlicheren Untersuchung zum Stadtwappen der Wasserburger Stadtschreiber Zweckstetter 1812 , im Jahr 1835 auch sein Amtsnachfolger Joseph Heiserer , ferner 1912 der bedeutende Heraldiker Otto Hupp . Maßgebliche Quelle für diese Annahme war dabei das Hochgrab der Grafen von Wasserburg im von ihnen im Verlauf des ersten Drittel des 12. Jahrhunderts wiederhergestellten Kloster Attel , auf dem u.a. ein Schild mit einem gekrönten Löwen zu sehen ist . Wie Zweckstetter Behauptung, das Wasserburger Stadtwappen wäre der Stadt von den Grafen von Wasserburg gleich nach der Gründung der Stadt zu Beginn des 12. Jahrhunderts verliehen worden, ist auch eine Beweisführung auf Grundlage des Stiftergrabes in Attel nicht haltbar, denn dieses stammt in seinem Zustand wie es den Zeitgenossen im 19. Jahrhundert begegnete nicht aus dem Hochmittelalter, sondern entstand in dieser Form erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Vollendet wurde es von dem in Wasserburg ansässigen Bildhauer Wolfgang Leb im Jahr 1509 , wobei Philip Maria Halm in seiner Studie zur süddeutschen Plastik aufgrund der eher geringen Qualität des Atteler Stiftergrabes davon ausgeht, dass Lebs Gesamtanteil daran eher gering einzuschätzen sei . In seinem kunsthistorischen Wert von weitaus größerer Bedeutung ist hingegen das neun Jahre zuvor von Leb geschaffene Stiftergrab im Benediktinerkloster Ebersberg, das Graf Ulrich von Ebersberg (gest. 1029) und seiner Gemahlin Richardis von Kärnten (gest. 1013) gedenken soll. Entscheidend für unseren Forschungsgegenstand sind die dort angebrachten Wappenschilde, die nicht den beiden Stiftern zugeschrieben werden können, die sie repräsentieren sollen: Die Grafen von Ebersberg erloschen gut ein halbes Jahrhundert ehe das Wappenwesen aufkam, das Wappen Richardis von Kärnten ist zwar tatsächlich das Wappen Kärntens, wurde in dieser Form – Löwen und österreichisch-habsburgisches Bindenschild – aber erst ab dem 13. Jahrhundert geführt. Historische Authenzität ist im Falle der Wappen auf dem Ebersberger Stiftergrabes also nicht gegeben und es ist naheliegend, dass sich dieser Befund auf das Stiftergrab in Attel übertragen lässt. Aber auch ungeachtet dieser Annahme, ist die Wahrscheinlichkeit, die Erschaffer des neuen Stiftergrabes in Attel hätten sich auf bis dato bestehende Vorlagen orientiert, gering. Wappengrabsteine – vor allem in Verbindung mit Kreuzen – lassen sich zwar grundsätzlich schon im 13. Jahrhundert nachweisen, allerdings nur in sehr geringer Anzahl ; erst ab dem 14. Jahrhundert – also ein halbes Jahrhundert nach dem Tod des letzten Wasserburgers und gut 150 Jahre nach dem Ableben des darin beigesetzten Stifters Engelbert – finden sich Wappen in einer immer größer werden Zahl auf Gräbern.

Immerhin kann aber anhand der Gestaltung des Atteler Stiftergrabes festgehalten werden, dass bereits um 1500 der Löwe im Wasserburger Stadtwappen für das Wappentier der Grafen von Wasserburg gehalten wurde .

Gegen diese frühneuzeitliche Annahme sprechen freilich die zu den Grafen von Wasserburg überlieferten Wappendarstellungen auf Reitersiegeln des 12. und vor allem des 13. Jahrhunderts . In den staatlichen Archiven sind über 25 Siegel der Grafen von Wasserburg überliefert, von denen die überwiegende Mehrzahl allerdings stark beschädigt und unkenntlich ist. Auf denjenigen Reitersiegeln auf Urkunden der Grafen Dietrich (gest. ca. 1206) und Konrads, auf denen das Schild des Reiters erhalten ist, lassen sich folgende zwei Motive erkennen, die parallel zueinander geführt wurden: 1203 , ca. 1226 , 1233 , 1235 (?), 1246 ein Schrägbalken. 1204 , 1234 , 1242 , 1244 Rauten; diese bedecken ursprünglich (wie auf dem Schild 1204) den kompletten Schild, reduzieren sich auf den folgenden Siegeln aber auf drei Rauten, die sich mittig im Schild befinden.

Ein Löwe ist in diesen bis zum vorletzten Jahr der Herrschaft der Grafen von Wasserburg über die gleichnamige Stadt am Inn überlieferten Siegeln hingegen nicht enthalten. Trotz allem soll die unwahrscheinliche Möglichkeit, dass der letzte Graf von Wasserburg vielleicht doch einen Löwen als Wappentier führte nicht völlig ausgeschlossen werden. Generell war gerade in seiner Frühzeit das Wappenwesen noch stark im Fluss und erst allmählich trat eine Verstetigung ein. Dass Adelsgeschlechter ihre Wappenbilder wiederholt wechselten oder ergänzten, war keine Seltenheit . Dass die Grafen von Wasserburg neben den oben angeführten Wappenbildern noch einen Löwen als Wappentier geführt haben könnten, ist zwar unwahrscheinlich, wäre aber für ein Adelsgeschlecht wie die Wasserburger nicht gänzlich abwegig: Der Löwe war mit Abstand das beliebteste Wappentier des europäischen Adels, bemerkenswert erscheint zudem die in der Forschung aufgestellte Beobachtung, dass die Einbringung des Löwen in das Wappen oft auch als Ausdruck antikaiserlicher Position gedeutet werden konnte – wie sie ja auch beim letzten Wasserburger gegeben war.

Sollte Graf Konrad von Wasserburg tatsächlich in seiner späten Herrschaftszeit noch einen Löwen in sein Wappen eingebracht und diesen zugleich der Stadt Wasserburg als Wappen verliehen haben, wäre schließlich noch danach zu fragen, ob die seit 1247 über Wasserburg herrschenden wittelsbachischen Herzöge, der Stadt tatsächlich gestattet hätten, weiterhin dieses Wappen in ihrem Siegel zu führen. Und auch hier lässt sich keine ganz sichere Einschätzung fällen: Einerseits war es nicht unüblich, dass sich Herrschaftswechsel in Städten auch in deren Siegeln und Wappen niederschlugen . Andererseits waren die Wittelsbacher nicht nur Eroberer Wasserburgs, sondern auch die mehr oder weniger rechtmäßige Erben der wasserburgischen Besitzungen und für diesen Fall ist – z.B. bei den Grafen von Bogen oder der Grafen von Spanheim-Ortenburg – zu beobachten, dass die Wittelsbacher Wappenbilder ‚miterbten‘.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass gegen die Herleitung des Löwen im Wasserburger Stadtwappen von den Grafen von Wasserburg zahlreiche Argumente sprechen, die es naheliegender erscheinen lassen, seine Herkunft eher bei den seit 1247 in Wasserburg herrschenden bayerischen Herzögen zu suchen.

Wasserburg unter wittelsbachischer Herrschaft

Aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, als Wasserburg in Besitz der bayerischen Herzöge überging , sind verschiedene Wappenembleme der Wittelsbacher überliefert, die teilweise nebeneinander geführt wurden, teilweise aneinander ablösten : Als früheste Embleme der Wittelsbacher, die bereits im 12. Jahrhundert in Erscheinung traten, dann aber in den Hintergrund gerieten, sind zunächst ein Adler, der als Zeichen des von ihnen bekleideten Pfalzgrafenamtes gedeutet wird, sowie ein „Zickzackbalken“ zu nennen. Ein Löwe erscheint auf einem bayerischen Herzogssiegel erstmals 1229. Es gehörte dem seit 1231 als Herzog amtierenden Otto II. (gest. 1253), der 1222 Agnes von der Pfalz geehelicht hatte und 1227 nach dem Tod seines Schwiegervaters Amt und Besitz der Pfalzgrafen bei Rhein übernahm. Die Wecken gelangten zusammen mit dem Erbe der Grafen von Bogen in das Wappen der Wittelsbacher und begegnen erstmals auf einem Siegel Ludwigs II. (reg. 1253-1294) im Jahr 1247. 1259 erscheint ferner der Spanheimer Panther auf einem Reitersiegel Heinrichs XIII. (reg. 1253-1290), der zeitweise bis ins 14. Jahrhundert hinein ebenfalls in den Wappenemblemen der bayerischen Herzöge Verwendung fand. Die zentralen Zeichen des Hauses Wittelsbach sollten aber die Wecken und der Löwe werden. Beide waren keine exklusiven Wappenembleme für die verschiedenen Linien der Wittelsbacher, in die sich das Geschlecht im Laufe der Jahrhunderte aufteilen sollte und auch nicht fest mit definierten geographischen Räumen verbunden . So findet sich beispielsweise der Löwe für einen sehr viel längeren Zeitraum (ab 1259) auf Siegeln Herzog Heinrichs XIII. von Niederbayern als auf solchen seines Bruders Ludwig II. von Oberbayern (ab 1290), obwohl die Pfalz, woher der Löwe im Wappen der Wittelsbacher seinen Ursprung hatte, zu seiner Herrschaftssphäre zählte, während sich Heinrich eher nach Osten hin ausrichtete . Durch die fehlende Reglementierung der Wappenführung der Wittelsbacher im 13. Jahrhundert wird eine Analyse der Ursprünge des Wasserburger Stadtwappens zwar nicht unbedingt erleichtert, doch wird man gestützt auf nachfolgenden Annahmen und Überlegungen wohl nicht gänzlich mit der Behauptung fehl gehen, dass es Herzog Otto II. war, der der Stadt Wasserburg das den Löwen beinhaltende Stadtwappen verlieh. Diese Annahme würde es auch erlauben, den Entstehungszeitraum des Wasserburger Wappens relativ genau einzugrenzen, nämlich zwischen Ende 1247 (Einnahme der Stadt Wasserburg durch den bayerischen Herzog) und 1253 (Tod Herzog Ottos II.), wobei ein früherer Zeitpunkt in diesem Zeitkorridor wahrscheinlicher sein dürfte. Als Urheber des Wasserburger Stadtwappens könnte aber auch Ottos ältester Sohn, Ludwig II., vermutet werden, der einerseits die Stadt 1247 nach mehrmonatiger Belagerung im Auftrag seines Vaters eroberte, andererseits zwischen 1255 und 1262 verhältnismäßig oft in Wasserburg nachzuweisen ist, bestimmte er die Stadt an der Innschleife doch als Unterbringungsort seines Neffen und Mündels Konradin (1252-1268), der nicht nur Prätendent auf das Erbe der Staufer in Schwaben und Italien, sondern auch potentieller Anwärter auf die Königs- und Kaiserkrone war . Allerdings bediente sich Ludwig II. in seinen Siegeln vor allem der von ihm 1247 erstmals eingeführten bogischen Wecken während der Löwe erst ab 1289 in seinen Reitersiegeln zu finden sind; zu einer Zeit, für die dem Herzog keine engeren Verbindungen zu Wasserburg mehr nachgewiesen können . Darüber hinaus lässt sich – freilich auch quellenbedingt – in der Amtszeit Herzog Ludwigs II. kein unmittelbarer Anlass für die Verleihung eines Wappens an die Stadt Wasserburg erkennen – wohl aber in der seines Vaters. Der neue wittelsbachische Stadtherr bestätigte bald nach der Eroberung der Stadt zumindest das noch unter Graf Konrad III. verliehene Wasserburger Stadtrecht (wenn er es nicht noch erweiterte) und trieb den Ausbau der prosperierenden Stadt voran (z.B. Bau des Rathauses um 1250; Errichtung der romanischen Bürgerkirche bis 1255) . Dass es besonders im Zusammenhang mit Stadtwerdungsprozessen – wenn auch nicht zwangsläufig – zu Verleihungen von Stadtwappen kam, ist allgemein bekannt und dürfte auch für Wasserburg zutreffen. Das beantwortet freilich immer noch nicht, wieso der Löwe als Wappentier Verwendung fand. Andere, etwa sprechende, Motive wären für eine Stadt mit dem Namen „Wasserburg“ nicht nur naheliegender, sondern für den bayerischen Raum in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auch gebräuchlicher gewesen (vgl. etwa Pfaffenhofen an der Ilm mit dem sprechenden Pfaffen im Wappen oder das Wappen von Kelheim, auf dem neben einem Rautenschild, eine Torburg und davor die Donau repräsentierenden Wellen zu finden sind). Erklärt werden kann die Verleihung des Wappentiers Herzog Ottos II. an die Stadt Wasserburg am besten dadurch, dass der neue Stadtherr seine Ansprüche auf die 1247 eroberte Stadt durch dieses Wappen unterstrich, was durch den Umstand, dass ihr vormaliger Besitzer, Graf Konrad von Wasserburg, noch bis 1259 lebte und unterstützt von Papst Innozenz IV. vergeblich das ihm entzogene Eigentum zurückverlangte , durchaus von Relevanz gewesen sein dürfte. Bekannter sind solche Fälle, in denen bei Herrschaftswechseln bestehende Wappen – oder auch nur einzelne Motive darin – den neuen Verhältnissen angepasst werden . Es kann freilich nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass auch im Falle Wasserburg das neue Löwenwappen ein bereits vor 1247 bestehendes Wappen, von dem nichts bekannt ist, ersetzt hat, eher tendiere ich aber zu der Annahme, dass das von Otto II. verliehene Wappen mit dem Löwen, das erste Wappen der Stadt Wasserburg war.

Einordnung

Für die Zeit nach dem Tod Herzog Ottos II. 1253 lassen sich im bayerisch-wittelsbachischen Herrschaftsgebiet nicht nur vermehrt Wappen auf städtischen Siegeln nachweisen, auch trat mit den bogischen Wecken ein neues Element hinzu, das sich in den Wappen zahlreicher landesherrlicher Städte fand, oft und gern in Verbindung mit dem pfälzischen Löwen. Dass diese Kombination im Wappen der Stadt Wasserburg noch nicht auftritt, sondern dort allein ein Löwe vorzufinden ist, deutet darauf hin, dass Wasserburg sein Stadtwappen nicht durch Ludwig II., sondern durch dessen Vater, Otto II., vermutlich bald nach der Einnahme der Stadt erhielt, also zwischen 1247 und 1253. Trifft dieser Datierungsvorschlag zu, der freilich nicht vollkommen neu , in der vorliegenden Untersuchung aber mit zusätzlichen Argumenten untermauert worden ist, so gehört das Wasserburger Stadtwappen zu den ältesten Wappen im bayerisch-süddeutschen Raum: Älter oder ähnlichen Alters sind nach gegenwärtigem Forschungsstand im südbayerischen Raum lediglich Wappen von Bischofs- oder Reichsstädten wie Augsburg, Nördlingen oder Regensburg bzw. unter den landesherrlichen Städten nur München (Mönch, belegt ab 1239) und Reichenhall (Gotteslamm mit Fahne bis vor 1300, dann Wecken und Spanheimheimer Panther). Ebenfalls erlauben es die hier angestellten Überlegungen aber auch, den terminus post quem von Wappen bayerischer Städte, in denen bogische Wecken (in Kombination mit dem Löwen) zu finden sind und deren Entstehung grob ins 13. Jahrhundert datiert wird (z.B. Rain am Lech , aber auch Neustadt an der Weinstraße ), zumindest ein wenig näher einzugrenzen, indem diese nach dem Tod Herzog Ottos II. 1253, entsprechend erst für dessen Nachfolger, anzusetzen sind.

Siegel wittelsbachischer Städte, auf denen wie im Falle Wasserburgs allein der Löwe auftritt, finden sich im Verlauf des weiteren 13. Jahrhunderts schließlich in der Pfalz: Wiesloch führte zwischen 1299 und 1369 nur den Löwen im Siegel. Im 1277 von König Rudolf zur Stadt erhobenem Alzey bestanden zwei Siegel nebenher; das eine zeigt eine Fidel und erscheint in Siegeln der Truchsessen und der Winter von Alzey, das andere den Löwen der Wittelsbacher, die mit dem lokalen Adel um die Stadtherrschaft rangen . Hier mag sich auf kommunaler Ebene eine gewisse regionale Verdichtung des (im Laufe der Zeit immer mehr zum „pfälzischen“ werdenden) Löwen angebahnt haben, wie das zumindest auch partiell im Niederbayerischen mit dem Spanheimer Panther zu beobachten ist (Eggenfelden, Reichenhall, Vilsbiburg).[5]


Empfohlene Zitierweise:
Daniel Rittenauer, Wappen und Siegel der Stadt Wasserburg, publiziert am 21.12.2018 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Wappen_und_Siegel_der_Stadt_Wasserburg (29.04.2024)


  1. Vgl. im Folgenden Toni Diederich, Städtische Siegelführung im Mittelalter, in: Klaus Fink/Wilhelm Jansen (Hg.), Grundherrschaft und Stadtentstehung am Niederrhein. Referate der 6. Niederrhein-Tagung des Arbeitskreises Niederrheinischer Kommunalarchivare für Regionalgeschichte (24.-25. Februar 1989 in Kleve) (Klever Archiv 9), 1989, 79-98. Alois Niederstätter, Das Stadtsiegel. Medium kommunaler Selbstdarstellung. Eine Annäherung anhand von Beispielen aus dem habsburgisch-österreichischen Alpen- und Donauraum, in: Ferdinand Opll (Hg.), Bild und Wahrnehmung der Stadt (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 19), 2004, 143-153. Wilfried Schöntag, Kommunale Siegel und Wappen in Südwestdeutschland. Ihre Bildersprache vom 12. bis zum 20. Jahrhundert, 2010.
  2. Allgemeine Informationen zum Wappen der Stadt Wasserburg, wie auch zu anderen Wappen bayerischer Kommunen wurden der beim Haus der Bayerischen Geschichte angesiedelten Datenbank https://www.hdbg.eu/gemeinden/web entnommen.
  3. Siehe zu den Grafen von Wasserburg Elisabeth Noichl, Die Grafen von Wasserbug, in: Heimat am Inn 10 (1990), 5-39. Johannes Lang, Geschichte von Bad Reichenhall, 2009, 100-106. Vgl. Andreas Kraus, Grundlegung und Aufbau 1180-1314, in: Ders. (Hg.), Handbuch der Bayerischen Geschichte, Bd. 2, 1988, 42-53.
  4. Franz Sebastian Meidinger, Historische Beschreibung verschiedener Städte und Märkte der kurfürstlich pfalzbaierischen Rentämter, Bd. 1: München, Burghausen, 360.
  5. Vgl. Klemens Stadler, Die Wappen der niederbayerischen Landkreise und Gemeinden, 1960, 25. Diese Entwicklung näher zu verfolgen, wäre aber Gegenstand einer anderen Untersuchung.