Altstadt, Burgerfeld, Wuhr/Tegernau: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Historisches Lexikon Wasserburg
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Insgesamt planten die Architekten eine über diesen ersten Planungsabschnitt hinausgehende Siedlung mit insgesamt 410 Wohnungen. Geleitet vom Grundgedanken der Vereinfachung und Vereinheitlichung sollten beispielsweise die Straßen gerade ausreichend breit, teilweise ohne Fußweg entstehen; anstelle von Vorgärten wurden schmale, funktionale Rasenflächen vorgeschlagen. Ebenfalls einfach gehalten schlugen Kurz und Herbert die Gestaltung der Häuser vor: rau verputze, glatte Fassaden, abwechselnd farbig gestaltet( tituliert als "Wasserburger Charakter") mit flachem Dach.  
 
Insgesamt planten die Architekten eine über diesen ersten Planungsabschnitt hinausgehende Siedlung mit insgesamt 410 Wohnungen. Geleitet vom Grundgedanken der Vereinfachung und Vereinheitlichung sollten beispielsweise die Straßen gerade ausreichend breit, teilweise ohne Fußweg entstehen; anstelle von Vorgärten wurden schmale, funktionale Rasenflächen vorgeschlagen. Ebenfalls einfach gehalten schlugen Kurz und Herbert die Gestaltung der Häuser vor: rau verputze, glatte Fassaden, abwechselnd farbig gestaltet( tituliert als "Wasserburger Charakter") mit flachem Dach.  
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Genau hieran störte sich der Bayerische Landesverein für Heimatschutz, der in einem zum Siedlungsvorhaben verfassten Gutachten für die vorgeschlagenen Häusertypen und deren Gestaltung keinen Rückhalt in der "Wasserburger Bevölkerung" sah. Der Verein - Verfechter des Heimatschutzstils - plädierte vielmehr für einen eher der Umgebung angepassten "Vorgebirgsstil" mit "oberbayerische[m] Flachdach mit Giebel und Dachvorsprung".<ref> S. Bayerischer Landesverein für Heimatschutz, Gutachten betr. Babaungsplan für Wasserburg a/Inn vom 13.04.1921, StadtA Wasserburg a. Inn, II 2567. In einem späteren Schreiben zur Siedlung am Dobl weist Bürgermeister Baumann darauf hin, dass seitens der Staatsregierung (nicht näher definiert) diese Bauweise "verlangt" wurde: Bürgermeister Baumann, Schreiben an die D.A.F., Kreisverwaltung WAsserburg zur Heimstättensiedlung in Wasserburg vom 22.12.1937, StA Wasserburg a. Inn, II 2540.</ref> Insgesamt erschien ihm das Projekt als überdimensioniert, die Bebauung sollte sich zunöchst auf den nordöstlichen Teil des Gebietes beschränken.
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== "Ausblick": Siedlungsplanung für die Nachkriegszeit ==
 
== "Ausblick": Siedlungsplanung für die Nachkriegszeit ==

Version vom 4. Dezember 2018, 13:56 Uhr

Autor: Angelika Oettl

"Wildes" Siedeln und informelles Wachstum außerhalb der Kernstadt

Das Augenmerk der Wasserburger Kommunalpolitik im 19. Jahrhundert lag vornehmlich auf der Verbesserung der sozialen Verhältnisse, der Ausbau der öffentlichen Infrastruktur und der Erhaltung öffentlicher Einrichtungen „in baulicher und funktionaler Hinsicht“.[1] Auch die Stadtbrände 1874 und 1885 richteten das Augenmerk auf die Kernstadt. Die Erweiterung des Stadtraums in diesem Zeitraum verlief entsprechend ohne grundlegende stadtplanerische Vorgaben entlang der Verkehrswege, wodurch eine klare Abgrenzung der Stadt nach außen zunehmend verloren ging.[2] Der Topographie der Stadt entsprechend, konnte sich die Siedlungstätigkeit vorwiegend auf zwei Bereiche konzentrieren: zum einen das Gebiet entlang der Innschleife und der sog. Schopperstadt (BK!), zum anderen das Gebiet jenseits der Roten Brücke. Hier hatte sich bereits durch den Hopfenanbau im Stadtgebiet seit Ende des 18. Jahrhunderts Brauereibetriebe mit Sommerkellern am Kellerberg und Gasthäusern, sowie vereinzelt Gewerbebetriebe angesiedelt.(R!)

Im Gebiet jenseits des Inns lassen sich zwei unterschiedliche Aspekte der Bebaung des ausgehenden 19. Jahrhunderts verorten: zum einen musste die Stadt Wasserburg als Verwaltungssitz des Bezirks Wasserburgs bestimmte öffentliche Gebäude vorhalten, die zum Teil auch am Stadtrand entlang der Verkehrswege errichtet wurden. Beispiele hierfür sind das Forstamt und das Rentamt (Finanzamt). Zum anderen erlebte man hier einen - wenn auch begrenzten - "Drang zur Natur". Zentral war dabei das Zusammenspiel mit dem Fremdenverkehr. Im Einzugsbereich Münchens waren so abgelegene Villen zunächste zur Sommerfrische und als Rückzugsort entstanden. Sukzessive siedelte sich wohlhabendes Klientel an, aus Einzelvillen wurden "Villenlandschaften"; der Bau von Eisenbahnstrecken verstärkte diese Entwicklung.[3].

Auch in Wasserburg versuchte man den Fremdenverkehr zu beleben. Bei der Kirche St. Achaz betrieb die Leprosenhausstiftung ein Heilbad, das nach einem Neubau 1857 regen Zuspruch auch von Auswärtigen erfuhr. 1890 wurde es in eine Kneipp-Badeanstalt umgebaut, Gästezimmer eingerichtet und die Außenanlagen ansprechend gestaltet. Zwar wurde der Betrieb der Badeanstalt bereits wenige Jahre später eingestellt und das Gebäude für das Pensionat der in der Innenstadt gelegenen Realschule genutzt,[4]doch war die Umgebung durch die bereits bestehenden Bebauung in der Folgezeit in den Fokus einer aus dem Verschönerungsverein Wasserburg gegründeten Villenbaugesellschaft geraten. Diese startete 1908 die Initiative, am Fuße des Magdalenenberges eine Villenlandschaft zu errichten. Durch die Bebauung waren Versorgungseinrichtungen , wie Wasserleitungen, bereits vorhanden und der Weg in die Stadt über die bestehenden Straßen kurz. Gleichzeitig wurde das Wuhrtal als Erholungsgebiet angepriesen. Eine erste Villa (die spätere sogenannte Villa Hagen)wurde ab 1908 errichtet und 1913 an einen Ingenieur verkauft. Im gleichen Jahr löste sich die Villenbaugesellschaft auf, da es an der Nachfrage für derartige Gebäude fehlte. Um 1900 waren jedoch bereits weitere Privatvillen in der Umgebung entstanden: 1900 die Overbeck-Villa und 1908 eine Villa am Hochgarten.[5] 1913/14 erhielt die Realschule - das bisherige Gebäude war durch die sukzessive Erweiterung zu einer sechsstufigen Realschule zu klein geworden - einen Neubau in unmittelbarer Nachbarschaft zum bestehenden Schülerheim.

Westlich der Kernstadt lieferte die Entscheidung, eine Bahnstrecke bis in die Stadt Wasserburg zu verlegen, wesentliche Impulse zur Veränderung. Nachdem 1900 die Führung der Strecke von Ebersberg in die Stadt Wasserburg genehmigt worden war, wurde als erster Teilabschnitt die Strecke zwischen der Bahnstation in Reitmehring und der Stadt Wasserburg in Angriff genommen. Der Kopfbahnhof in der Stadt sollte auf dem alten Triebwerkskanal des an dieser Stelle betriebenen Sägewerks entstehen, der den "Hals" - die Landverbindung der Halbinsel - in einem Tunnel durchstieß. Die Stadt Wasserburg kaufte dem Eigentümer Josef Gimpl. das Gesamtgrundstück für den Bahnhof und Gleiskörper mit 3,64 Tagwerk samt Triebwerksrecht und vorhandenen Gebäuden ab.[6] Die nicht für den Bahnhof und Gleiskörper genutzte Fläche (benötigt wurden nur 2,2 Tagwerk) wurde zunächst als Krautgärten verpachtet, bildete aber in der Folgezeit die Grundlage für die Besiedelung in diesem Bereich. Grundsätzlich wurde das Gebiet um dem Bahnhof schrittweise erschlossen. War zunächst gegenüber des Bahnhofsgebäudes ein Gasthaus errichtet worden, wurde erst in den 1920er Jahren der Platz vor dem Bahnhof gestaltet, Postgebäude und eine Autohalle gebaut und die Straße zum Bahnhof hin ausgebaut. Sukzessive siedelten sich Gewerbe an, um Waren günstig weiter transportieren zu können.

Planmäßige Erschließung ab 1918

War bereits vor dem Ersten Weltkrieg in vielen bayerischen Städten der Wohnraum knapp, verschärfte sich die Situation mit dem Ende des Krieges noch weiter. Neben zwangswirtschaftlichen Maßnahmen, die den bestehenden Wohnraum betrafen - gemeint sind Wohnraumbewirtschaftung und Mietenkontrolle) - setzte die Politik auf die Förderung des Wohnungsbaus. Auch in der Stadt Wasserburg bemühte man sich in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg um die Beseitigung des Wohnraummangels.[7]

Wie angespannt die Lage in Wasserburg nach 1918 war lässt sich in den Akten der Wohnungskommission ablesen. Gemäß Stadtratsbeschluss vom 18. März 1922 war sie eingesetzt worden und - entsprechend den bestehenden Vorschriften zur Bekämpfung der Wohnungsnot - einem gemeindlichen Wohnungsamt gleichzusetzen. Wohnungsgesuche oder Wohnungstausch wurde fortan von dieser Kommission geregelt.[8] Wie angespannt die Lage war, zeigen einige (spätere) Beispiele: In einem Schreiben vom Januar 1922 beziffert der Stadtrat die Zahl der zu diesem Zeitpunkt aktuellen Wohnungsvormerkungen auf 87. An anderer Stelle wird darauf verwiesen, dass die Wartezeit für Wohnraum gewöhnlich zwischen eineinhalb und zwei Jahren liege.[9]

Zunächst versuchte man Abhilfe zu schaffen, indem der Einbau von Wohnungen in bereits bestehende Gebäude gefördert wurde.[10] Bereits im Januar 1919 bemühte sich der Stadtrat ein geeignetes Siedlungsgebiet im Stadtbereich zu finden. Ein entsprechender Plan sollte dem Stadtrat vom Stadtbauamt bis Ende Februar vorgelegt werden. Überliefert ist im Akt zum Städtischen Siedlungswesen des Stadtarchivs Wasserburg ein Plan, inm dem die gemeindlichen Grundstücke und die Grundstücke, die sich in der Hand der städtischen Stiftungen befanden, markiert waren.[11] Der Besitz der Stiftungen erstreckte sich demnach vornehmlich auf das Burgerfeld und entlang der Wuhr. Gemeindliche Grundstücke befanden sich in der Innschleife und um das Bahnhofsareal. Entsprechend richtete sich das Hauptaugenmerk der Bautätigkeit auf das Burgerfeld, auch da durch die Besitzungen hier der größtmögliche freie Gestaltungsrahmen zur Verfügung stand. Spätestens 1920 wurden die Münchener Architekten Otho Orlando Kurz und Eduard Herbert mit der Erstellung eines Siedlungs- und Bebauungsplans beauftragt. Sie legten im Februar 1921 in einem kurzen Exposé allgemeine Gesichtspunkte zu ihrer Planung und schließlich einen ausgearbeiteten Plan vor.

Sind die Erläuterungen zum Bebauungsplan noch überliefert, fehlen bis dato die ausgearbeiteten Pläne und Zeichungen mit einer Ausnahme. Der Stadtrat hatte der Größe der Wohneinheiten und Grundstücke vorgegeben; das Verhältnis 1:2 bebauute und unbebaute Fläche sollte eingehalten werden. Um einen einheitlichen Plan umsetzen zu können, bemühte sich der Stadtrat um den Ankauf der Grundstücke im Planungsgebiet. Zudem sollte eine Verlegung des Stadtbahnhofes ins Burgerfeld weiterhin möglich bleiben.[12]

Kurz und Herbert planten eine Siedlung im unteren Bereich des Burgerfelds, von der Rosenheimer Straße, dem Klosterweg und der Ponschabauerstraße begrenzt. Als eine Art Eingang zur Siedlung planten die Architekten zwischen Finanzamt und "alten Anwesen" - gemeint war wohl das Kapuzinerkloster - einen freien Platz. Für einen späteren Zeitpunkt waren hier öffentliche Gebäude vorgesehen. Eine Hauptallee sollte der Bewegung des Geländes folgend, in einem Bogen wieder auf die Rosenheimer Straße führen. An zwei inneren Straßen bildeten Reihenhäuser das städtebauliche Motiv, an den Querstraßen mit stärkeren Gefälle sollten Doppelwohnhäuser entstehen. Für den Höhenabschluss sahen die Architekten für später größere Privatvillen vor, mit entsprechend größer bemessenen Grundstücken.

Insgesamt planten die Architekten eine über diesen ersten Planungsabschnitt hinausgehende Siedlung mit insgesamt 410 Wohnungen. Geleitet vom Grundgedanken der Vereinfachung und Vereinheitlichung sollten beispielsweise die Straßen gerade ausreichend breit, teilweise ohne Fußweg entstehen; anstelle von Vorgärten wurden schmale, funktionale Rasenflächen vorgeschlagen. Ebenfalls einfach gehalten schlugen Kurz und Herbert die Gestaltung der Häuser vor: rau verputze, glatte Fassaden, abwechselnd farbig gestaltet( tituliert als "Wasserburger Charakter") mit flachem Dach.

Genau hieran störte sich der Bayerische Landesverein für Heimatschutz, der in einem zum Siedlungsvorhaben verfassten Gutachten für die vorgeschlagenen Häusertypen und deren Gestaltung keinen Rückhalt in der "Wasserburger Bevölkerung" sah. Der Verein - Verfechter des Heimatschutzstils - plädierte vielmehr für einen eher der Umgebung angepassten "Vorgebirgsstil" mit "oberbayerische[m] Flachdach mit Giebel und Dachvorsprung".[13] Insgesamt erschien ihm das Projekt als überdimensioniert, die Bebauung sollte sich zunöchst auf den nordöstlichen Teil des Gebietes beschränken.


"Ausblick": Siedlungsplanung für die Nachkriegszeit

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Empfohlene Zitierweise:
Angelika Oettl, Altstadt, Burgerfeld, Wuhr/Tegernau, publiziert am 04.12.2018 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Altstadt,_Burgerfeld,_Wuhr/Tegernau (18.05.2024)


  1. Vgl. dazu: Martin Geiger, Wasserburg am Inn. Ein geschichtlicher Abriss ( = Heimat am Inn 1), 1984, 43.
  2. Klaus Fehn, Die Siedlungsraumtypen, in: Alois Schmid (Hg.), Handbuch der Bayerischen Geschichte, IV, 2, 2007, 37 - 71, 45.
  3. Tobias Mahl, Landsitze Münchner Bürger (19./20. Jahrhundert), publiziert am 25.08.2008; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL:>https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Landsitze_Münchner_Bürger_(19./20._Jahrhundert) (19.11.2018)
  4. R! https://www.kneippverein-wasserburg-inn.de/kneipp-bad-wasserburg.html (19.11.2018)
  5. Zur Villenbaugesellschaft s. StadtA Wasserburg a. Inn II 2564. Zur Auflösung s. Wasserburger Anzeiger 1913, Nr. 53.
  6. Martin Geiger, Dampfroß ohne Feuer. Ein Eisenbahnbau in Oberbayern (= Heimat am Inn 3), 1982, 175, 177.
  7. S. Ines Müller, 229, die auf eine Beilage des STadtratsprotokolls vom 16.10.1929 verweist. Neben der Wohnungsbaupolitik bemühte man sich in den 1920er Jahren die Verbesserung der Infrastruktur.
  8. Während die Festsetzung der Meitpreise und Kündigungen weiterhin über das Mieteinigungsamt abgewickelt wurden. s. StadtA Wasserburg a. Inn, II 1519.
  9. Zu Zahl ver Wohnungsvormerkungen: s. Schreiben vom 3.1.1922 des Stadtrats WAsserburg an das Bezirksamt Wasserburg, StadtA Wasserburg a. Inn, II 2441. Zur Wartezeit: Schreiben vom 13.7.1922 des Stadtrats Wasserburg an die Oberbayerische Überlandzentrale A. G. Rosenheim betreffend des Wohnungszuweisung Schleheider, StadtA Wasserburg a. Inn, II 1519.
  10. Hierzu StadtA Wasserburg a. Inn, II 2693.
  11. s. StadtA Wasserburg a. Inn, II 798.
  12. s. Der Kampf um die Eisenbahn
  13. S. Bayerischer Landesverein für Heimatschutz, Gutachten betr. Babaungsplan für Wasserburg a/Inn vom 13.04.1921, StadtA Wasserburg a. Inn, II 2567. In einem späteren Schreiben zur Siedlung am Dobl weist Bürgermeister Baumann darauf hin, dass seitens der Staatsregierung (nicht näher definiert) diese Bauweise "verlangt" wurde: Bürgermeister Baumann, Schreiben an die D.A.F., Kreisverwaltung WAsserburg zur Heimstättensiedlung in Wasserburg vom 22.12.1937, StA Wasserburg a. Inn, II 2540.