Dr. Wilhelm Kulhanek: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Historisches Lexikon Wasserburg
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Die in Wasserburg unerwünschten Vertriebenen wurden erst als Untermieter in der Altstadt untergebracht, konnten sich aber schon bald darauf als Mieter im Burgerfeld niederlassen.<ref>In Wasserburg herrschte in den Nachkriegsjahren Wohnungsnot, weswegen die US-Army und die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) Wohnraum beschlagnahmten. Die unfreiwilligen Vermieter dürften der jungen Familie einen kalten Empfang bereitet haben. Für den Umgang mit Displaced Persons und Flüchtlingen siehe [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Haupt, Quellenstudie Displaced Persons Camps|Haupt, Quellenstudie Displaced Persons Camps]].</ref> Im Juli 1947 erfolgte der Umzug in die Herrengasse.<ref>Meldebögen von 1946 und 1947, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739|StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739]].</ref>  
 
Die in Wasserburg unerwünschten Vertriebenen wurden erst als Untermieter in der Altstadt untergebracht, konnten sich aber schon bald darauf als Mieter im Burgerfeld niederlassen.<ref>In Wasserburg herrschte in den Nachkriegsjahren Wohnungsnot, weswegen die US-Army und die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) Wohnraum beschlagnahmten. Die unfreiwilligen Vermieter dürften der jungen Familie einen kalten Empfang bereitet haben. Für den Umgang mit Displaced Persons und Flüchtlingen siehe [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Haupt, Quellenstudie Displaced Persons Camps|Haupt, Quellenstudie Displaced Persons Camps]].</ref> Im Juli 1947 erfolgte der Umzug in die Herrengasse.<ref>Meldebögen von 1946 und 1947, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739|StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739]].</ref>  
  
Wilhelm Kulhanek bemühte sich sofort um eine Anerkennung seines Studiums, um weiterhin als Arzt praktizieren zu können. Noch bevor die Papiere in Wasserburg eintrafen, stellte das städtische Krankenhaus Kulhanek als Assistenzarzt von April bis Juni 1946 ein. Dafür stellte ihn die Militärregierung von der Sperrstunde frei ''„while on duty as physician“.''<ref>Militärregierung-Befreiung 1946. Siehe Arbeitsbuch und Abschrift der Promotionsurkunde, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739|StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739]].</ref>
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Wilhelm Kulhanek bemühte sich sofort um eine Anerkennung seines Studiums, um weiterhin als Arzt praktizieren zu können. Noch bevor die Papiere im Mai in Wasserburg eintrafen, stellte das städtische Krankenhaus Kulhanek als Assistenzarzt von April bis Juni 1946 ein. Dafür befreite ihn die Militärregierung auch von der geltenden Sperrstunde ''„while on duty as physician“.''<ref>Militärregierung-Befreiung 1946. Siehe Arbeitsbuch und Abschrift der Promotionsurkunde, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739|StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739]].</ref>
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Die Bayerischen Landesärztekammer erteilte Kulhanek im November 1946 die Niederlassungsgenehmigung als praktischer Arzt in Bayern und er baute eine Arztpraxis für Allgemeinmedizin auf. ''Damit ging endlich sein langgehegter Wunsch in Erfüllung, kranken Menschen zu helfen, wobei er als sicherer und immer hilfsbereiter Diagnostiker anerkannt war.<ref>Trauerrede von Dr. Ortwin Ganss, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739|StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739]].</ref>
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Version vom 29. April 2019, 12:09 Uhr

Autor: Franziska Honer

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Biografie Dr. Wilhelm Kulhanek[1]

Lebensdaten

Dr. med. Wilhelm Kulhanek * 8.4.1915 Peterswald in Mähren-Schlesien (heute Petřvald, Tschechische Republik), † 6.2.1987 Wasserburg.

Lebenslauf

Schulzeit und Studium

Wilhelm Kulhanek wurde 1915 als einziger Sohn von Josef und Franziska Kulhanek in Peterswald geboren. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges gehörte der Ort noch zur kaiserlich und königlichen Monarchie Österreich-Ungarn – Wilhelm Kulahnek war also ein gebürtiger Österreicher. 1918 besetzte das tschechische Militär die Gemeinde und man gehörte nun zur neu gegründeten Tschechoslowakei.

Die geografische Lage sowie das weltpolitische Geschehen beeinflussten den jungen Kulhanek: er beschäftigte sich mit den slawischen Sprachen und er lernte Tschechisch, Slowakisch, Polnisch und etwas Russisch. Auf dem Lehrplan des Staats-Reform-Realgymnasiums in Neuer Oderberg, das er von 1932 bis 1937 besuchte, standen dazu noch Latein und Französisch.[2]

Nach dem Schulabschluss absolvierte der 18jährige auf Wunsch seines Vaters erst ein Praktikum im Bergbau, schrieb sich aber schon im November 1937 an der medizinischen Fakultät der Deutschen Universität in Prag ein. Das fünf Jahre dauernde Studium war von einer unruhigen Zeit geprägt. Die sudetendeutschen Gebiete wurden durch das Münchner Abkommen vom 29. September 1938 von der Tschechoslowakei abgespalten und dem Deutschen Reich eingegliedert. Sechs Monate später marschierte die Wehrmacht in Prag ein und Adolf Hitler proklamierte am 16. März 1939 in Prag das Protektorat Böhmen und Mähren. Im Winter desselben Jahres kam es zu blutigen Unruhen und neun Studenten, als Rädelsführer bei den Demonstrationen bezichtigt, wurden von den Nationalsozialisten erschossen. Mehr als 1.300 Studenten wurden verhaftet und über 1.000 im Konzentrationslager interniert. Tschechischen Hochschulen und Universitäten wurden vorerst geschlossen. An der Deutschen Universität – nun die Deutsche Karls-Universität – durfte allerdings weiter gelehrt werden.[3]

Am 30. Juli 1942 absolviert Wilhelm Kulhanek seine Prüfungen und erlangt den Grad eines Doktors der gesamten Heilkunde[4].

Berufliche Laufbahn unter der NS-Herrschaft

Nach der Promotion versetzte man Kulhanek vom 21. September 1942 bis zum 30. November 1943 an das Landeskrankenhaus in Teschen, wo er seine Pflichtassistenzarztzeit absolvierte.[5]

Ich wurde daraufhin als Pflichtassistent dem Landeskrankenhaus in Teschen zugeteilt, von wo aus ich Ende 1943, wegen meiner politischen Unzuverlässigkeit – ich war in keinerlei Partei noch Formation – nach Sosnowitz (Polen) als prakt. Arzt und Luftschutzarzt strafversetzt wurde.[6]

Etwa ein Jahr praktizierte Kulhanek in Polen.[7]

Im Januar habe ich Sosnowitz wegen Annäherung der Front verlassen und habe der Einberufung zum Volkssturm nicht Folge geleistet. Bis zum Einmarsch der Roten Armee, habe ich mich versteckt gehalten. Am 23. Mai 1945 wurde ich von den Tschechen als Deutscher verhaftet und ins Lager [in Karwin, Anm. des Autors] gesteckt, wo ich 4 Monate festgehalten wurde.[8]

Nach seiner Entlassung wurde der junge Mediziner ausgesiedelt und er begab sich mit seiner Familie nach Wien.[9] Seit 1941 war Wilhelm Kulhanek mit Maria Dzida verheiratet und sie hatten eine einjährige Tochter (geboren 1944). Vergeblich bemühte sich der nun Staatenlose um die österreichische Staatsbürgerschaft.

Schließlich begleitete er als Arzt eine Deutsche Delegation bei der Rückführung von Reichsdeutschen nach Deutschland und im Februar 1946 verschlug es die Familie Kulhanek zuerst nach München.[10] Nach einem sehr kurzen Aufenthalt schickten die Behörden sie weiter nach Wasserburg a. Inn, wo sie als Heimatvertriebene registriert wurden.

Als Flüchtling in Wasserburg

Die in Wasserburg unerwünschten Vertriebenen wurden erst als Untermieter in der Altstadt untergebracht, konnten sich aber schon bald darauf als Mieter im Burgerfeld niederlassen.[11] Im Juli 1947 erfolgte der Umzug in die Herrengasse.[12]

Wilhelm Kulhanek bemühte sich sofort um eine Anerkennung seines Studiums, um weiterhin als Arzt praktizieren zu können. Noch bevor die Papiere im Mai in Wasserburg eintrafen, stellte das städtische Krankenhaus Kulhanek als Assistenzarzt von April bis Juni 1946 ein. Dafür befreite ihn die Militärregierung auch von der geltenden Sperrstunde „while on duty as physician“.[13]

Die Bayerischen Landesärztekammer erteilte Kulhanek im November 1946 die Niederlassungsgenehmigung als praktischer Arzt in Bayern und er baute eine Arztpraxis für Allgemeinmedizin auf. Damit ging endlich sein langgehegter Wunsch in Erfüllung, kranken Menschen zu helfen, wobei er als sicherer und immer hilfsbereiter Diagnostiker anerkannt war.[14]


Empfohlene Zitierweise:
Franziska Honer, Dr. Wilhelm Kulhanek, publiziert am 29.04.2019 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Dr._Wilhelm_Kulhanek (28.04.2024)


  1. Die Biografie wurde auf der Grundlage des unvollständigen Nachlasses von Wilhelm Kulhanek im Stadtarchiv Wasserburg erstellt und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
  2. Abschrift Reifezeugnis und Zeitungsartikel von 1972, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  3. Vgl. Simon, Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus, 5-15, Nachrufe auf Wilhlem Kulhanek von 1972 und Studentenausweis, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  4. Abschrift der Promotionsurkunde, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  5. Arbeitszeugnis für Wilhelm Kulhanek vom 31.1.1944, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  6. Wilhelm Kulhanek an die Österreichische Volkspartei, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  7. Kulhanek wurde hauptsächlich auf der internen Abteilung, aber auch in der chirurgischen und der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung eingesetzt. Arbeitszeugnis vom 31.1.1944, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  8. Wilhelm Kulhanek an die Österreichische Volkspartei, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  9. Seit November 1945 war die Familie Kulhanek in Wien gemeldet und Wilhelm Kulhanke erhielt im Januar 1946 die Erlaubnis in Götzendorf der provisorischen kassenärztlichen Tätigkeit nachzugehen. Meldekarte Wien und Arbeitserlaubnis, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  10. Einweisungsschein für das Flüchtlingslager Pasing Weinbergstraße, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  11. In Wasserburg herrschte in den Nachkriegsjahren Wohnungsnot, weswegen die US-Army und die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) Wohnraum beschlagnahmten. Die unfreiwilligen Vermieter dürften der jungen Familie einen kalten Empfang bereitet haben. Für den Umgang mit Displaced Persons und Flüchtlingen siehe Haupt, Quellenstudie Displaced Persons Camps.
  12. Meldebögen von 1946 und 1947, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  13. Militärregierung-Befreiung 1946. Siehe Arbeitsbuch und Abschrift der Promotionsurkunde, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.
  14. Trauerrede von Dr. Ortwin Ganss, StadtA Wasserburg a. Inn, VI5739.