Rathaus

Aus Historisches Lexikon Wasserburg
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Autor: Gerald Dobler

Rathaus

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Einführung

Inhalt

Baubeschreibung

Baugeschichte

Der pittoreske Bau des Wasserburger Rathauses mit seinen beiden Treppengiebeln und seinen spätgotischen Fassadenbildern birgt im Inneren zwei Säle mit Wandmalereien.

Der kleine oder rote Rathaussaal

Der kleine oder so genannte rote Rathaussaal enthält eine interessante Ausmalung von 1564 im Stil des Manierismus.

Der große Rathaussaal

Der große Rathaussaal, das mittelalterliche „Tanzhaus“, enthält prächtige Wandmalereien im Stil der Dürer-Zeit, die tatsächlich aber erst in der Prinzregentenzeit entstanden sind. Anlass der Ausmalung war ein verheerender Stadtbrand im Jahr 1874, bei dem auch das Rathaus, vor allem der große Saal des 15. Jahrhunderts, stark in Mitleidenschaft gezogen worden war. Vor dem Brand hatte er eine hölzerne Flachdecke und eine erst 1854 entstandene Dekoration mit neugotischen Architekturelementen und Wappenschilden besessen. Danach wurde der Saal zunächst nur provisorisch instand gesetzt, das Maßwerk der Fenster wurde von dem Wasserburger Steinmetz Simon Geigenberger wiederhergestellt. Erst 25 Jahre später führte der Münchner Künstler Maximilian von Mann unter Mithilfe mehrerer Mitarbeiter in den Sommermonaten der Jahre 1903 bis 1905 die Bemalung der Saalwände aus, für die beträchliche Summe von 30.000 Goldmark, die aus Mitteln des Bayerischen Staates zur Pflege und Förderung der Kunst bereitgestellt wurden. Parallel zur Bemalung der Wände erhielt der Saal ein monumentales hölzernes Tonnengewölbe nach dem Vorbild anderer mittelalterlicher Rathaussäle wie etwa im Alten Münchner oder im Nürnberger Rathaus und eine Musikempore in neugotischen Formen. Die Pläne für das 1904 fertiggestellte Gewölbe, die Empore, die eisenbeschlagenen Flügel des Portals und die hölzernen Bänke an den Wänden lieferte der Münchner Architekt Johann Riepertinger, ein geborener Wasserburger. Die Schnitzereien am Gewölbe und an der Empore wurden von Prof. Josef Regl aus Zürich entworfen und zum Teil auch ausgeführt. Regl und Riepertinger sind in zwei Büsten am Ansatz des ­Gewölbes porträtiert, Ersterer mit Brille, Letzterer mit Schriftrolle und Zirkel.

Die Wandmalereien Maximilian von Manns im großen Rathaussaal

Die nördliche Stirnseite des Saales wird von einem Gast- oder Liebesmahl als Verweis auf dessen Funktion als Tanz- und Festsaal eingenommen. Im Zentrum des Bildes steht ein großformatiger Brunnen, bekrönt von der Figur des Liebesgottes Amor, um die längsrechteckige Tafel dahinter gruppieren sich 21 Figuren in prächtigen Renaissancekostümen, die zumeist als Liebespaare arrangiert sind, zum Teil auch Musikinstrumente spielen. Mit Musik­in­stru­menten ist auch die Rückwand des Saales dekoriert, ein Pfau und eine Meerkatze unterstreichen die paradiesisch sorglose Atmosphäre der Szene. Als Vorlage für den Brunnen diente von Mann der Holzschnitt Albrecht Altdorfers mit der Hl. Familie am Brunnen, für den linken Teil der Szene der Kupferstich „Der verlorene Sohn“ von Hans Sebald Beham. Der stehende Putto in der rechten Saalecke ist Sebastian Scheels Sippenaltar von 1517 aus Schloss Annenberg im Vintschgau entnommen. An der westlichen Längsseite ist im südlichen Teil als Sinnbild für den Salzhandel, die Quelle des früheren Reichtums der Stadt Wasserburg, vor girlandengeschmückten Arkaden ein „Salzzug“ dargestellt. Die Prunksänfte am Ende des Zuges mit der Allegorie des Salzes in Form einer jungen Frau mit einem Salzfass und dem Wappen Wasserburgs, einem roten Löwen auf weißem Grund, wird von vier Hirschen getragen, der Page am hinteren Ende der Sänfte hält eine Standarte mit einem Lobgesang auf das Salz. Der Sänfte voran ziehen zwei Gruppen von Flötisten und Trommlern zu Pferd, an der Spitze des Zuges schwingt ein Landsknecht ein Banner in den Wasserburger Wappenfarben. Über dem Reiter zwischen den beiden Gruppen erläutert ein Spruchband in kurzen Worten die Geschichte des Saales und das Motiv zu seiner Ausmalung, „zu kunden jetzt und allezeit / der Väter Kunst und Herrlichkeit“. Die Prunksänfte stellt eine Kombination aus der burgundischen Hochzeit von Dürer und der spanischen Hochzeit von Hans Springinklee aus der monumentalen Holzschnittfolge des Triumphzugs Kaiser Maximilians dar, die Vorhut ist aus Motiven bei Hans Burgkmair kompiliert. Über dem spätgotischen Portal ist zwischen zwei Prunksäulen der doppelköpfige Reichsadler angebracht, mit dem bayerischen Rautenschild vor der Brust (Hinweis auf Kaiser Ludwig den Bayern) und den Wappen Bayerns und der Stadt Wasserburg in den Klauen. Rechts daneben steht als Türwächter ein Landsknecht mit Bidenhander, der so genannte „Torwartel“. Die östliche Längsseite zeigt die Allegorien der so genannten vier stärksten Dinge, von Norden nach Süden „VINUM“, den Wein, „REX“, den König, „MULIER“, die Frau, und „VERITAS“, die Wahrheit, als Sinnbild der Volksweisheit, dass die Macht des Königs stärker sei als die des Weines, die Macht der Frau stärker als die des Königs, die Macht der Wahrheit aber stärker als die der Frau. Der König trägt die Gesichtszüge Kaiser Maximilians I. aus einem Holzschnitt Dürers, die wappenhaltenden Engel darüber gehen auf die schwebenden Engel aus Sebastian Scheels Sippenaltar zurück. An der Südwand sind die Allegorien „FORTUNA“, das Glück, und „FORTITUDO“, die Tapferkeit, angebracht. Als Vorlage für die Figur der Tapferkeit diente der Kriegsgott Mars aus der Serie der sieben Planeten von Heinrich Aldegrever von 1533. Der obere Teil der Wand zeigt in der Mitte eine Stadtansicht Wasserburgs nach dem Merianstich von 1644. Über den Allegorien und oberhalb der Empore sind zuletzt insgesamt 14 Wappen von Wasserburger Bürgergeschlechtern und anderen historischen Persönlichkeiten angebracht, die sich um die Stadt verdient gemacht haben. Mehrere Wohltäter sind außerdem in zwei Schrifttafeln an der Südwand verewigt. Zwölf weitere Bürgerwappen finden sich in Schnitzerei am Gewölbe. Die prächtige Ausmalung ist zu den eindrucksvollsten Werken des Historismus im deutschen Sprachraum zu rechnen. Sie stellt uns den Saal so vor Augen, wie die Menschen um 1900 glaubten, dass er während der Epoche der „Alten Meister“ am Beginn des 16. Jahrhunderts, des in ihren Augen unumstrittenen Höhepunkts der deutschen Kunst, ausgesehen hätte. Und um diese Vorstellung möglichst realistisch erscheinen zu lassen, benützte von Mann dazu die genannten Vorlagen, ein „späthistoristisches“ Verfahren, das in gleicher Weise auch von Rudolf von Seitz im Bayerischen Nationalmuseum angewandt wurde. Bei dieser Vorgehensweise, die bereits zum Zeitpunkt der Ausführung der Malereien zum Teil heftig als retrospektiv kritisiert, ja sogar als „Plagiat“ bewertet wurde, handelte es sich jedoch aus der Sicht von Manns um einen denkmalpflegerischen Ansatz, um den Versuch, dem Saal eine malerische Ausstattung zu geben, der seiner spätgotischen Architektur gerecht wurde und bei der daher die künstlerische Freiheit zugunsten eines geschlossenen historischen Raumeindrucks zurückzustehen hatte. Durch die zitierten Originalwerke wollte von Mann sicherlich auch den Kunstcharakter der Neuausmalung sicherstellen. Die Verarbeitung von historischen Vorlagen kam jedoch ebenso seiner Vorliebe für die Kunst des Mittelalters entgegen.

Zu Maximilian von Mann

Maximilian Ritter von Mann wurde am 15. Juni 1856 in München geboren. Trotz seiner bereits früh erkennbaren künstlerischen Begabung schlug er zunächst eine militärische Laufbahn ein, die er jedoch nach fünfzehn Jahren 1884 aufgrund eines Herzleidens beenden musste. Sogleich knüpfte er wieder an seine alten künstlerischen Interessen an und schrieb sich für sechs Semester an der Münchner Kunst­akademie ein. Entscheidend für seine künstlerische Entwicklung war jedoch eine Reise nach Tirol, auf der seine Begeisterung für die mittelalterlichen Wandmalereien geweckt wurde, die er in Aquarell kopierte. 1895 konnte von Mann bei der Münchner Jahres-Ausstellung seine Kopien in einem eigenen Kabinett präsentieren. In der Folge erhielt er erste Aufträge auf dem Gebiet der historisierenden Wandmalerei, die Ausmalung des so genannten Parzivalzimmers und eines Badezimmers auf der Burg Kreuzenstein bei Wien (1945 verwüstet). Von 1900 bis 1904 fertigte Mann dann für die staatliche österreichische Denkmalpflege zu Dokumentationszwecken zahlreiche weitere Aquarellkopien von Tiroler Wandmalereien an. In den nächsten Jahren führte er neben dem Wasserburger Rathaussaal noch mehrere historisierende Wandmalereien aus, eine „Nachdichtung“ der Clunyteppiche im Münchner Künstlerhaus (1944 zerstört) sowie verschiedene Burg- und Schlossausstattungen in Österreich-Ungarn. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 fanden seine künstlerischen Unternehmungen ein jähes Ende. Maximilian von Mann verstarb am 13. November 1939, ohne dass er in den letzten 25 Jahren seines Lebens noch einmal an seine künstlerische Tätigkeit in der Zeit vor dem Krieg hätte anknüpfen können.

Quellen

Stadtarchiv Wasserburg, II976–II979, II981.

Literatur

Wolfram Lübbecke, Denkmalpflege und moderne Kunst. Die Ausmalung des Wasserburger Rathaus­saales oder Bemerkungen zu Maximilian von Mann und Ludwig von Herterich, in: Jahrbuch der Bayerischen Denkmalpflege, Bd. 35 (1981), München/Berlin 1983, 155–168. Gerhard Skrabal, Zwölf alte Ratsbürgergeschlechter und ihre Wappen im Rathaussaal zu Wasserburg am Inn, in: Archiv für Sippenforschung, Heft 55, Wiesbaden 1974, 542–551. Siegfried Rieger, Die Eröffnung des wiederhergestellten Wasserburger Großen Rathaussaales am 24. und 25. Juni 1905, in: Heimat am Inn, Bd. 18/19, Jahrbuch 1998/99, Wasserburg 2000, 301–313. Elisabeth Crettaz-Stürzel, „Oh na, i werds schon oalt machen“ – Versuch einer Annäherung an den Bildhauer und Professor Joseph Regl (1846–1911), in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Bd. 66 (2009), 171–192. Dobler, Gerald: Die Wandmalereien Maximilian von Manns im Großen Saal des Wasserburger Rathauses. Zeitlos Schön, Dobler Kunstkalender 1, Wasserburg 2010.


Empfohlene Zitierweise:
Gerald Dobler, Rathaus, publiziert am 05.10.2019 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Rathaus (28.04.2024)

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