Stadtverteidigung

Aus Historisches Lexikon Wasserburg
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Autor: Christoph Gampert

Stadtverteidigung

Einführung

Im Mittelalter oblag die Verteidigung einer Stadt den Bürgern und Einwohnern bzw. dem Rat als oberstem politischem Organ, der als solches auch die Wehrhoheit innehatte,[1] sprich den militärischen Oberbefehl. Im Krieg konnte natürlich auch der Stadtherr, im Falle der Stadt Wasserburg am Inn der bayerische Herzog als Landesherr, Truppen in die Stadt legen, um diese im Belagerungsfall zu verteidigen. Dann konnte es durchaus zu Differenzen zwischen dem Rat und dem landesherrlichen Befehlshaber in Verteidigungsfragen, v.a. bei einer möglichen Kapitulation, kommen.

Stadtverteidigung in Wasserburg

Wie wichtig den bayerischen Herzögen die Sicherheit ihrer Städte war, zeigt ein Mandat Herzog Albrechts V. aus dem Jahr 1564, in welchem er die Stadt Wasserburg anweist, die Stadttore in guter Acht zu halten, die Wache ordentlich zu versehen, das Geschütz zu richten, Munition (khraut und lott) anzuschaffen und die an- und abreisenden Gäste zu kontrollieren. [2]

Militärische Einsätze der Wasserburger Bürger

In Wasserburg gab es, wie im Artikel „Bürgerbewaffnung“ bereits ausführlich beschrieben, eine militärisch organisierte Bürgerschaft, die die Stadtverteidigung durchaus ernst nahm. Der Akt „Beiträge zur Geschichte der Bürgerwehr“ aus dem Alten Archiv des Stadtarchivs Wasserburg listet die militärischen Einsätze der Wasserburger Bürger, auch außerhalb der eigenen Stadtmauern, detailliert auf. Er beginnt mit der Belagerung der Stadt durch die Wittelsbacher 1247, in deren Folge Wasserburg an das Herzogtum Bayern kam, und endet mit der Reorganisation der Landwehr 1826. [3] Es fällt auf, dass ab dem 18. Jahrhundert, mit Ausnahme eines Gefechts bei Wasserburg 1705, keine militärischen Einsätze der Wasserburger Bürger mehr erfolgten, sondern es nur noch um die Organisation der Bürgermiliz bzw. Landwehr ging. Offensichtlich hatte der bayerische Kurfürst im Zeitalter der stehenden Heere keinen Bedarf mehr an bestenfalls semi-professionellen Bürgersoldaten. Noch im Dreißigjährigen Krieg hingegen nahmen Wasserburger Truppen am Zug des bayerischen Heeres nach Oberösterreich 1626 teil. [4] Als es 1611 zu Feindseligkeiten zwischen dem Herzogtum Bayern und dem Hochstift Salzburg um die Fürstpropstei Berchtesgaden kam[5], zog das Wasserburger Stadtfähnlein[6] unter Stadtleutnant Heimeran Mayr und Stadtfähnrich Sigmund Angermayr nach Salzburg und Reichenhall. Auch an der Exekution der Reichsacht über Donauwörth 1607[7] und der Niederschlagung des schwäbischen Bauernaufstands 1525 (= Deutscher Bauernkrieg) [8] waren Wasserburger Truppen beteiligt. In die bekannte Schlacht bei Ampfing 1322 zwischen Ludwig dem Bayern und Friedrich dem Schönen[9] führte der Pfleger zu Wasserburg und Klingberg, Zacharias Ritter von Hohenrain, die Wasserburger Bürgerwehr. Die Teilnahme an der Belagerung Mühldorfs 1364 während des Tiroler Erbfolgekriegs zwischen den Wittelsbachern und den Habsburgern[10] brachte Wasserburg für die geleisteten Dienste der Bürgersoldaten einen Freiheitsbrief von Herzog Stephan II. von Bayern ein. Im Bayerischen Krieg 1420-1422[11] behauptete sich Wasserburg gegen die Belagerung durch Truppen Herzog Heinrichs von Bayern-Landshut 1422 ohne auswärtige Hilfe bis zum Friedensschluss, wofür der Stadt von Herzog Ludwig dem Gebarteten der Salzscheibenpfennig verliehen wurde. Es ist interessant, an wie vielen Kriegen bzw. Feldzügen, an denen die bayerischen Herzöge im Mittelalter und der Frühen Neuzeit beteiligt waren, zumindest der Akte im Stadtarchiv Wasserburg zu Folge, auch Wasserburger Bürger als landesherrliche Soldaten teilnahmen. Dagegen treten die Fälle der Stadtverteidigung im engen Sinne, also der Abwehr feindlicher Belagerungen, selten auf. In der genannten Akte sind es lediglich vier Belagerungen, die Wasserburg vom 13. bis 17. Jahrhundert überstehen musste. Auch für weitere Kriegszüge der bayerischen Herzöge im 15. Jahrhundert stellte Wasserburg Soldaten bzw. Söldner, wie aus Befehlen Herzog Georgs von Bayern-Landshut aus den Jahren 1487 bis 1494[12] sowie aus einer vermutlich aus dem Jahr 1525 stammenden Rechnung über den Unterhalt von 40 Fußknechten (= Fußsoldaten), die sie in landesherrlichem Auftrag besoldet und abgeschickt hatten, hervorgeht. [13] Im Jahr 1522 befahlen die Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. der Stadt Wasserburg, zwei ihrer Viertel zu mustern, auszurüsten und darauf vorzubereiten, dorthin zu ziehen, wo es ihnen befohlen werde. [14] Diese Dokumente zeigen, dass die Bürger der Stadt Wasserburg am Inn nicht nur für die Verteidigung ihrer eigenen Stadt zu sorgen hatten, sondern im Ernstfall auch von den bayerischen Herzögen zur Landesverteidigung herangezogen wurden.

Das Wasserburger Zeughaus

Wie im Belagerungsfall die Verteidigung der Stadt organisiert war, geht leider aus den Quellen im Stadtarchiv nicht hervor. Die erhaltenen Zeughausinventare geben aber zumindest Kunde von den vorhandenen Waffen. Zwei inhaltsgleiche Zeughausinventare aus dem Jahr 1558 verzeichnen im Zeughaus u.a. vier Falkonetten, drei Schlangen, drei Karrenbüchsen, eine Steinbüchse, großes und kleines Handgeschütz, 33 Hellebarden, Salpeter, Schwefel, Pech, Pulver und Kugeln. Dazu kommen noch 108 Langspieße im Getreidekasten sowie 93 ganze Haken, 2 Doppelhaken, 19 Halbhaken, Bleikugeln, Pulverflaschen, ein Halskragen und 4 Hellebarden im Tanzhaus sowie natürlich im Pulverturm gelagertes Pulver.

Wachdienst und Wachtgeld

Fazit

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Stadt Wasserburg am Inn ihre militärischen Aufgaben, die neben der Stadtverteidigung im engeren Sinne auch die Landesverteidigung umfassten, durchaus ernst nahm. Die Stadt verfügte über einen für ihre Größe und Bedeutung ansehnlichen Bestand an Waffen, gerade auch an Geschützen. Über das Wachtgeld konnten respektable Einnahmen für die Bestreitung des Wachtdienstes erzielt werden. An den landesherrlichen Feldzügen nahm eine im Gebrauch der Waffen durchaus geübt Bürgerschaft regelmäßig teil. Dies alles änderte sich um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges endete auch die Zeit der nur vorübergehend angeworbenen Söldnerheer und damit auch der Aufgebote der Landesuntertanen. Stattdessen begann die Zeit der stehenden Heere, welche die Landesverteidigung übernahmen. Die Bedeutung der Bürgermilizen nahm stetig ab, was sich auch in Wasserburg zeigte. An Feldzügen der bayerischen Kurfürsten nahm das Stadtmilitär nicht mehr teil, wenngleich es bis ins 19. Jahrhundert weiter bestand. Die Einnahmen aus dem Wachtgeld nahmen sukzessive ab, bis sie die Ausgaben kaum noch überstiegen. Die große Zeit der von den Städten selbst organisierten bürgerlichen Stadtverteidigung war definitiv vorbei.

Empfohlene Zitierweise:
Christoph Gampert, Stadtverteidigung, publiziert am 13.06.2019 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Stadtverteidigung (29.04.2024)


  1. Wübbeke-Pflüger, Sicherheitsorganisation, 173.
  2. Herzog Albrecht V. an die Stadt Wasserburg, Mandat vom 18.3.1564, StadtA Wasserburg a. Inn, I1b334.
  3. Geschichte der Bürgerwehr der Stadt Wasserburg (Beiträge zur Geschichte der Bürgerwehr), Zusammenstellung von 1853, StadtA Wasserburg a. Inn, I1b595.
  4. Repgen, Dreißigjähriger Krieg, 171.
  5. Mayr-Deisinger, Wolf Dietrich von Raittenau, 726.
  6. Ein Fähnlein war die kleinste Einheit der Infanterie (in der Regel 300 Mann), gleichbedeutend mit dem Begriff Kompanie (Meyers Großes Konversations-Lexikon, Art. Fähnlein).
  7. Zeeden, Hegemonialkriege und Glaubenskämpfe, 226.
  8. Virnich, Bauernkrieg.
  9. Murr, Schlacht von Mühldorf.
  10. Schwertl, Stephan II., 256f. Zum Tiroler Erbfolgekrieg siehe Heydenreuter, Tirol unter dem bayerischen Löwen und Riedmann, Friede von Schärding. Zur Belagerung Mühldorfs siehe Huber, Vereinigung Tirols, 106f.
  11. Glasauer, Bayerischer Krieg.
  12. Herzog Georg an die Stadt Wasserburg, Befehl vom 23.4.1487./ Herzog Georg an die Stadt Wasserburg, Befehl vom 16.7.1488./ Herzog Georg an die Stadt Wasserburg, Befehl vom 26.1.1494, StadtA Wasserburg a. Inn, I1b357.
  13. Rechnung des Solds für die Fußknechte von 1525, StadtA Wasserburg a. Inn, I1b357.
  14. Die Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. an die Stadt Wasserburg, Befehl vom 14.3.1522, StadtA Wasserburg a. Inn, I1b357.