Kurt Knappe

Aus Historisches Lexikon Wasserburg
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Autor: Robert Obermayr

Kurzbiografie Kurt Knappe
GND-Normdatensatz

Lebensdaten

Kurt Knappe, NSDAP-Kreisgeschäftsführer, Kriegskreisleiter im Büro der Kreisleitung im ehemaligen Kreishaus an der Hofstatt, 1943.

Kurt Knappe, *18. Januar 1905 in Königshütte (Chorzów), Polen, damals Oberschlesien, † 19. Juni 1978 in Wasserburg.

Wirken in der NS-Zeit

Kurt Knappe war von 11. März 1944 bis 3. Mai 1945 NSDAP-Kriegskreisleiter und damit der ranghöchste NS-Funktionär im Landkreis Wasserburg am Inn.[1] Er trat zunächst im Januar 1938 unter dem damaligen Kreisleiter Theo Kuhn die Stelle als Kreisgeschäftsführer der Wasserburger NSDAP an.[2] Zuvor war er als Fluglehrer an der Fliegerübungsstelle Herzogenaurach und als Funktionär der Deutschen Arbeitsfront in Straubing tätig. Im März 1938 übernahm der 33jährige Knappe zusätzlich das Amt des 1. Beigeordneten der Stadt Wasserburg, was dem Stellvertreter des Bürgermeisters entsprach.[3] Nach zweijähriger Unterbrechung durch seine Kriegsteilnahme setzte er im Januar 1942 seine hauptamtliche Parteitätigkeit fort, nun als Kreisstabsamtsleiter der Wasserburger NSDAP. Am 11. März 1944 ernannte ihn Gauleiter Giesler schließlich zum NSDAP-Kriegskreisleiter, womit Wasserburg wieder selbständiger NSDAP-Kreis wurde.[4] Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs setzte sich Knappe für eine friedliche Übergabe der Stadt an die US-Armee ein. Als er nach dem Aufruf der Freiheitsaktion Bayern am 28. April 1945 nicht gegen die Aufständischen um Josef Estermann und die Unterzeichner der Proklamation gegen die Verteidigung der Stadt vorging, geriet er selbst in Lebensgefahr.[5]

Vor 1933

Knappe habe seine Heimat Oberschlesien im Jahr 1921 nach deutschfeindlichen Aufständen der polnischen Bevölkerung verlassen müssen.[6] Die Familie ließ sich anschließend in Lahr im Schwarzwald nieder, wo er den Beruf des Werkzeugmachers erlernte. Als junger, begeisterungsfähiger Mensch habe er früh an den Rednern der NSDAP gefallen gefunden, die die Beseitigung der Arbeitslosigkeit versprachen. 1930 erfolgte der Eintritt in die Partei, die er aber im November 1932 aus innerer Verärgerung heraus wieder verlassen habe. 1933 trat er der SA bei, nach eigenen Worten, um eine Anstellung als Sportlehrer an der Sportschule Lahr im Dienstrang eines Zugführers zu erlangen. Mitglied der NSDAP wurde er erst wieder im Jahr 1937.

Nach Kriegsende 1945

Kurt Knappe wurde am 8. Mai 1945, fünf Tage nach Einmarsch der US-Armee in Wasserburg, in seinem Versteck am Friedlsee in Amerang aufgegriffen und musste seine 40 Monate dauernde Internierung antreten.[7] Das Spruchkammerverfahren gegen ihn fand am 14. September 1948 auf Wunsch Knappes am Ort seines Wirkens in Wasserburg und unter großer Beteiligung der Bevölkerung statt.[8] Zahlreiche Zeugen sagten zu seinen Gunsten aus und einstige Kritiker des NS-Regimes sowie Angehörige von verfolgten Gruppen bescheinigten ihm, er habe sie vor schwerwiegenden Konsequenzen wie der Einweisung in ein Konzentrationslager bewahrt.[9] In vielen Entlastungsschreiben wurde ihm eine gemäßigte Amtsführung bestätigt. Obwohl er ein eifriger und überzeugter Nazi gewesen sei, seien keine besonderen Exzesse bekannt geworden.[10] Es konnte auch nicht nachgewiesen werden, dass er NS-Gegner an die Gestapo auslieferte. Besondere Würdigung fand sein besonnenes Verhalten in den letzten Tagen des 2. Weltkriegs. Knappe wurde von der Wasserburger Kammer, unter Berücksichtigung seiner Internierung, in die Kategorie III (Minderbelaster) eingereiht. Im Revisionsverfahren stufte ihn die Spruchkammer Rosenheim auf Kategorie IV (Mitläufer) herab und sah von weiteren Auflagen sowie einer Bewährungsfrist ab.[11] Von 1951 bis zur Berentung arbeitete Kurt Knappe in der Besamungsstation der Molkerei Bauer in Wasserburg. In einem Interview mit Hans Klinger im Jahr 1975 spricht er bereitwillig über seine führende Position in der NS-Zeit, betont dabei aber seine Rolle als Helfer und Koordinator im Wasserburg der Kriegsjahre.[12] Knappe, der politisch nicht mehr öffentlich in Erscheinung trat, schickte 1976 einen ausführlichen Bericht an den damaligen Bürgermeister Geiger, in dem er die Ereignisse der letzten Kriegsjahre aus seiner Sicht darstellte.[13] In den 1950er Jahren verstärkte der Turnbegeisterte die Männerriege des Turnvereins Wasserburg.[14] Kurt Knappe verstarb im Jahr 1978 bei einem Verkehrsunfall.

Resumee

Es ist angesichts der schwierigen Quellenlage kaum möglich, ein objektives Bild vom Wirken Knappes in der NS-Zeit zu gewinnen, der immerhin ab 1938 höchste Parteiämter in der Kreisleitung Wasserburg innehatte. Akten sind nur lückenhaft überliefert und die meisten Quellen stammen aus Knappes Nachlass. Er scheint allerdings dem Typus des auf Mäßigung bedachten Kreisleiters entsprochen zu haben, wie er von der NS-Führung bewusst häufig im katholisch-ländlichen Milieu eingesetzt wurde.[15] Trotz seiner festen nationalsozialistischen Überzeugung, die in hitlertreuen und antisemitischen Reden ihren Ausdruck fand, konnten Knappe im Entnazifizierungsverfahren keine persönlichen Verfehlungen nachgewiesen werden. Nach Verbüßung der empfindlichen Strafen (mehr als dreijährige Inhaftierung, Berufsverbot und Vermögensverlust) wurde ein vergleichsweise mildes Urteil gefällt und ihm die soziale Wiedereingliederung ermöglicht.

Empfohlene Zitierweise:

Robert Obermayr, Kurt Knappe, publiziert am 16.01.2024 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Kurt_Knappe (19.04.2024)
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  1. Diese Kurzbiografie basiert im Folgenden und wenn nicht anders angegeben auf: Obermayr, Jetzt kommt da Estermann, 346ff.
  2. Manuskript Kurt Knappes, Warum ich zur Partei ging, 2, StadtA Wasserburg a. Inn, VI1030.
  3. Zeitungsartikelzitat Kreisgeschäftsführer Parteigenosse Knappe 1. Beigeordneter der Stadt Wasserburg, Wasserburger Anzeiger, März 1938, ohne genauere Datierung, entnommen aus: Auer, Landkreis Wasserburg, Drittes Reich, 271.
  4. Zuvor hatte der Ebersberger Kreisleiter Windstetter nach dem Tod der Wasserburger Kreisleiter Kuhn und Best den NSDAP-Kreis Wasserburg kommissarisch mitbetreut.
  5. Obermayr, Jetzt kommt da Estermann, 90ff.
  6. Manuskript Kurt Knappes, Warum ich zur Partei ging, 2, StadtA Wasserburg a. Inn, VI1030.
  7. Tonband-Interview von Hans Klinger mit Kurt Knappe am 1.11.1975, StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-081.
  8. Obermayr, Jetzt kommt da Estermann, 350ff.
  9. Siehe dazu auch Pleizier, Entnazifizierung in Wasserburg am Beispiel Kurt Knappe, 30ff.
  10. Aktenauszug in Sachen Kurt Knappe, Anlage zur Klageschrift v. 16.8.1948, StadtA Wasserburg a. Inn, VI1087.
  11. Spruch der Hauptkammer Rosenheim vom 29.4.1949, StAM, SpkA K3805.
  12. Tonband-Interview von Hans Klinger mit Kurt Knappe am 1.11.1975, StadtA Wasserburg a. Inn, VIT-081.
  13. Kurt Knappe an Bürgermeister Geiger, Bericht über die letzten Kriegstage, Durchschrift der Ausfertigung im Nachlass, Juli 1976, StadtA Wasserburg a. Inn, VI1029.
  14. TSV 1880 Wasserburg, Festschrift 1880, 35.
  15. Fait, Die Kreisleiter der NSDAP – nach 1945, 297ff.