Bayerisches Rautenwappen und Wasserburg

Aus Historisches Lexikon Wasserburg
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Einführung

Siegel Herzog Ludwig II. der Strenge 1247

Seit dem Spätmittelalter verwendete das bayerische Herrscherhaus den Weiß (heraldisch: silber) und Blau schräg gerauteten Schild als Wappen und bis in die Gegenwart wird dieser im großen und kleinen Staatswappen als Hoheitssymbol des bayerischen Staates verwendet.[1] Darüber hinaus sind die Rauten (je nach Definitionsauffassung auch als Wecken bezeichnet) das allgemein anerkannte, vielfach verwendete Symbol für Bayern. Zum ersten mal nutze der Wittelsbacher Ludwig der Strenge (* 13. April 1229 in Heidelberg; † 2. Februar 1294 ebd., ab 1253 Herzog von Bayern und Pfalzgraf bei Rhein) den Rautenschild an seinem Siegel an einer Urkunde des Klosters Seeon vom 19. November 1247.[2] Die Herkunft der Rauten wurde seit dem späten 18. Jahrhundert in Gelehrtenkreisen diskutiert, Theorien über eine Abstammung von den Welfen, den Grafen von Wasserburg und den Grafen von Bogen standen im Raum. Letztere hat etwa seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in der offiziellen Darstellung durchgesetzt, wobei ein wissenschaftlich fundierter Nachweis nicht erbracht werden kann. Ebensowenig kann die Wasserburger These ausgeschlossen werden, welche in vorliegendem Beitrag erläutert wird.

Die Frühzeit der Heraldik

Bevor die Wappen der Grafen von Wasserburg vorgestellt werden, ist zur Einordnung in den historischen Kontext ein Exkurs zur Entwicklung der Heraldik notwendig, insbesondere auch in Hinblick auf die Entwicklung des Wappens der Wittelsbacher sowie der heraldischen Figur der Rauten.

Entstehung des Wappenwesens

Das europäische Wappenwesen entstand zur Zeit der Kreuzzüge und hat vermutlich seinen Ursprung in den Militäremblemen byzantinischer und orientalischer Heere. Gemusterte orientalische Stoffe wurden als Banner und wohl auch als Schildbespannung genutzt.[3] Die Verleihung eines Wappens im klassischen Sinne, nämlich eines Schildes mit gemalten Löwen, ist für das Jahr 1127 belegt: Der König von England verleiht das Wappen seinem Schwiegersohn Gottfried Plantagenet.[4] Erhalten sind aus dieser Frühzeit der Heraldik vor allem Reitersiegel, die im gesamten europäischen Kulturraum ähnlich ausgestaltet sind. Im Regelfall ist dort der Siegelinhaber in voller Rüstung zu Pferde dargestellt. Über dem Kettenpanzer trägt er eine Tunkia, auf dem Kopf einen geschlossenen Topfhelm oder einen offenen Normannenhelm. In einer Hand hält er eine Schild mit dem eigentlichen Wappenbild, in der Hand hält er eine Lanze, an der ein Banner befestigt ist, welche das Wappenbild wiederholen kann. Bei Landesherren ist das Banner dreizipflig und oft gerautet.[5] Einige heute noch verwendete Länderwappen sind so zum ersten mal auf Reitersiegeln anzutreffen: Der Thüringer Löwe im Siegel Landgraf Herrmanns von 1209 oder die staufischen drei übereinanderschreitenden Löwen im Siegel Herzog Heinrichs von Schwaben von 1216, die heute im Landeswappen von Baden-Württemberg zu finden sind. Vereinzelt existieren auch Siegel, die nur den Wappenschild enthalten (z.B. der schon erwähnte Rautenschild Herzog Ludwigs des Strengen 1247) oder auch nur die Wappenfigur ohne Schild (Heinrich der Löwe um 1180).[6]

Sehr häufig treten in den frühen Heraldik die bereits in der Antike verwendeten Machtsymbole Adler und Löwe auf, die auch als Symbol der kaiserlich-staufischen (Adler) oder welfischen Partei (Löwe) interpretiert werden. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts begannen die Landesfürsten, die bislang den Adler führten, eigenständige Wappen zu zeigen, um ihre Unabhängigkeit vom staufischen Reich zu demonstrieren (z.B. Böhmen, Österreich).[7] Bei den Wittelsbachern führt der vom staufischen Kaiser begünstigte und mit dem Herzogtum belehnte Otto I. einen Adler. Ebenso tut es sein Sohn Ludwig I. bis ca. 1220-22, von da an bis zu seinem Tod 1231 zeigt er den Zackenbalken, das vermutliche Stammwappen der Grafen von Scheyern. Denkbar wäre, dass der zwischen Staufern und Welfen hin und her paktierende Herzog ein eigenständiges Hoheitszeichen präsentieren wollte. Sein Sohn Otto II. der Erlauchte, der über seine Frau Agnes, eine Welfentochter, die Rheinpfalz erbt, führt den Pfälzer Löwen.[8]

Rauten in der Frühzeit der Heraldik

Fast ähnlich beliebt wie Adler und Löwe sind Schach[9] und Raute[10], beide sind sich im Aufbau ähnlich. Oft wird der gesamte Schild geschacht oder gerautet, dies lässt wieder an die Schildbespannung der Kreuzritter mit gemusterten orientalischen Stoffen als Ursprung denken. Das Schach, bei dem der Schild mit einer gleichen Anzahl von rechtwinkligen Spaltungs- und Teilungslinien belegt ist, ist als Wappen nachweisbar ab 1141[11]. Wohl eine Abwandlung des Schachs sind die Rauten, wobei der wesentliche Unterschied der ungleiche Winkel beim Aufeinandertreffen der Linien ist, die einzelne Raute erhält damit die Form eines Rhombus. Nur in der deutschen Heraldik existieren noch die Figuren Wecken (längliche Rauten)[12] und Spindeln (besonders schlanke Form der Wecke)[13]. Beim bayerischen Wappen existiert auch in der Fachliteratur keine eindeutige Unterscheidung, die Begriffe Wecken und Rauten werden zumeist synonym verwendet und in der amtlichen Definition des StMI ist nur von Rauten die Rede.[14]

Rauten sind aber keine ausschließlich bayerische heraldische Figur. Früh erscheint es in Frankreich, z.B. beim Haus Craon[15]. Prominent ist das Rautenwappen der ursprünglich Genuesischen Adelsfamilie Grimaldi, das sich heute im Staatswappen von Monaco befindet.[16] Auch Deutschland sind Rauten bei mehreren Adelsfamilien vorzufinden, bekannt sind die „Teckschen Wecken“ einer Seitenlinie der Zähringer Herzöge, nachweisbar ab 1261.[17]

Erwähnt soll an dieser Stelle noch der geschachte Schild im Stammwappen der Sponheimer sein, der ab der Mitte des 13. Jahrhunderts nachweisbar ist[18], jedoch wegen seiner Schlichtheit auch älteren Ursprungs sein könnte. Es handelt sich um eine ursprünglich rheinländischen Familie, von der sich ein bayerischer Zweig als Grafen von Ortenburg abspaltete, der die Pfalzgrafenwürde erlangte und damit im alten Herzogtum Bayern nach dem Herzog selbst an zweiter Stelle in der Adelshierarchie kam. Diese Familie war mit den mächtigen altbayerischen Grafengeschlechtern verschwägert, so auch mit den Grafen von Wasserburg. Der bayerische Zweig führte jedoch als Wappen einen Panther, der sich ebenfalls im Staatswappen erhalten hat. Als Inspirationsquelle für Rauten beim bayerischen Adel könnte wäre wohl das Sponheimer Stammwappen auch denkbar.

Die Wappen der Grafen von Wasserburg

Die siegelführenden Grafen

Nachzeichnung des Reitersiegels Graf Dietrich von Wasserburg

Wie bei den meißten altbayerischen Hochadelsgeschlechtern liegen die Anfänge der Die Grafen von Wasserburg im Dunkeln. Vermutlich handelt es sich um eine Nebenlinie des Hauses Dießen-Andechs. Ausführliche Darstellung bei Noichl, hier soll nur eine kurze Darstellung der im Weiteren relevanten genealogischen und historischen Daten erfolgen. Siegel sind für die beiden vorletzten Grafen erhalten:

  • Dietrich, Graf von Wasserburg († 1206) ∞ vor 1178 Heilika von Wittelsbach (G 1171, † 1200), Tochter von Herzog Otto I., Schwester von Herzog Ludwig I.
  • Konrad, Graf von Wasserburg († 1259 Offenburg in der Steiermark); ∞ vor 1223 Kunigunde von Hirschberg († 1249), Witwe Bertholds IV., Graf von Bogen

Das volle Rautenwappen

Das reduzierte Rautenwappen

Der Querbalken

Theorie der Herkunft des Wittelsbacher Rautenwappens aus Wasserburg

Das Wappen des Klosters Attel in der Nachfolge des Wasserburger Rautenwappens

Das 1137 von Graf Engelbert gegründete Benediktinerkloster Attel war neben dem 1235 von Graf Konrad gegründeten Dominikanerkloster Altenhohenau das Hauskloster der Grafen von Wasserburg. Als solches war es nicht ungewöhnlich, als Klosterwappen das Wappen des ausgestorbenen Stiftergeschlechts zu wählen, praktiziert vor allem ab dem 15. Jahrhundert von Benediktiner- oder Zisterzienserstiften. So gibt es im altbayerischen Raum einige bekannte Beispiele[19]: Die von den frühen Wittelsbachern gegründenten Klöster Indersdorf, Ensdorf und Scheyern führen den Zackenbalken der Grafen von Scheyern-Wittelsbach. Dießen und Andechs führen Löwe und Adler. Attel führte das Wappen Konrads von Wasserburg mit den drei Rauten. Andere Klöster führen apokryphe (den Gründern zugeschriebene, für diese aber nicht direkt nachweisbare) Wappen, z.B. Steingaden den Greifenlöwen der Welfen.

Überblick über die Verwendung

Im Gegensatz zu dem Siegeln weltlicher Herren tauchen heraldische Elemente bei geistlichen Herren erst relativ spät auf, im frühen und hohen Mittelalter ist zumeist nur der geistliche Würdenträger oder ein Kirchenpatron dargestellt, so auch an Atteler Urkunden, z.B. 1368 [20]: Abt und Konvent führen je ein Siegel mit dem Hl. Michael. Der früheste bildliche Nachweis für das Wappen mit den drei Rauten stammt von 1440.[21] Das Rautenwappen wurde vom Abt oder für die Abtei als ganzes verwendet, der Konvent führte ein Wappen mit einem Rad, das Zimmermann als Schildbuckel interpretiert und damit dem als Schild des Hl. Michael am Konventswappen in den oben genannten Urkunden entspricht. So befinden sich zu Füßen der Figuren am Stiftergrab auch das Konventswappen, zu beiden Seiten je das Abteiwappen.

Die silbern-blaue Tingierung und das bayerische weiß-blau

Die Tingierung (Farbgebung) des Atteler Wappens ist überliefert als silberner Schild mit drei blauen Rauten belegt. Wenn man nun von einer authentischen Fortführung des Rautenwappens Graf Konrads durch Attel ausgeht, so werden sicher auch die Farben übernommen worden sein. Alle Darstellungen auf Siegeln oder Grabsteinen des Atteler Klosterwappens bilden die Rauten als erhabenes Relief ab, d.h. man kann hier bereits von einer einheitlichen Tingierung ausgehen. Im Hinblick auf die bayerischen Rauten könnte so auch die Farbgebung Weiß (heraldisch Silber) und Blau in einer kontinuierlichen Tradition der Grafen von Wasserburg stehen. Eine derartige Überlieferung ist für die anderen Herkunftstheorien der Rauten nicht gegeben.