Brucktor
Autor: Gerald Dobler
Das Wasserburger Brucktor (Bruckgasse 5)
Einführung
Das Brucktor, das Stadttor an der Innbrücke, auch Turm bei dem Fleischhaus (1415/16) und Inntor (1703) genannt, ist ein quadratischer, innen fünfgeschossiger Torturm mit Zinnen, der von den breiten Gebäudeblöcken des etwas zurückgesetzten ehemaligen Spitals (westlich) und des leicht vorspringenden ehemaligen Fleischhauses (östlich)[1] flankiert wird. Dieses Gebäude, auch Stadthaus genannt, war bis zum 19. Jahrhundert funktional mit dem Brucktor verbunden: es enthielt im Erdgeschoss Räume für die Torwache, die Einnahme der Zölle und für die Stadtverteidigung. Um 1700 befand sich hier eines von zwei Zeughäusern der Stadt (das zweite im Bereich des mittleren Burgtors), bis 1818 erfolgte der Zugang zu den oberen Turmgeschossen von dieser Seite aus.[2]
Geschichte / Baugeschichte
Die Innbrücke wird zum ersten Mal um 1204 erwähnt.[3] Damit ist wohl auch vom Vorhandensein des Brucktors auszugehen.
Nachdem die Stadtmauer hier etwas weiter nördlich verläuft (im Bereich der Südwand der Spitalkirche), ist davon auszugehen, dass sich das erste Tor ebenfalls etwas weiter nördlich, landeinwärts befand.
Berg vermutet einen Wiederaufbau des Brucktors nach dem Stadtbrand von 1339 und eine mögliche Beschädigung durch den Brand des Spitals 1380. Ihr zufolge könnte der Unterbau des Tores noch vor 1470 zurückreichen.[4]
Bei einem angeblichen Neubau 1374 handelt sich nur um eine Erwähnung.[5]
In den Jahren ab 1415 wurde das Brucktor im Rahmen der Neubefestigung Wasserburgs durch Herzog Ludwig den Gebarteten von den Bürgern der Stadt neu errichtet: It(e)m den Turr(n)n bej dem fleischauß habent die bürg(er) auf vnnsers gnedigen herrn hertzog ludwigs n(ach) sein(er) gnad(e)n beger(e)n von new(e)m aufgepawt.[6]
Von Mitte Oktober 1470 bis Juli 1471 erfolgte ein weiterer Neubau des Brucktors durch Meister Wolfgang [Wiser] und Meister Steffan, Stadtmeister, Zimmermann.[7] Ob es sich dabei tatsächlich um einen vollständigen Neubau oder nur um eine umfangreiche Reparatur oder Erneuerung handelte, ist nicht bekannt.
1568 erfolgte eine Bemalung der Südfassade (Jahreszahl, nicht mehr vorhanden), die vielleicht mit einer Renovierung des Brucktores einherging.
1630 wurden die Malereien der Südseite durch den Wasserburger Maler Wolfgang Pittenharter renoviert:[8] Mehr hab ich an dem Turm an der Bruckn die Sonnenuhr verneuert auch 2 Reichsäpfel gemacht, dafür .... 3 Gulden 10 Kreuzer.[9]
1775[10] oder 1793 kam es vielleicht zu einer erneuten Renovierung des Brucktors (Jahreszahl an der Nordseite im Bereich des Stadtwappens, heute nicht mehr sichtbar).[11]
1827/28 wurde die Durchfahrt auf 3,80 m erweitert und erhöht und das gotische Gewölbe durch ein neues flaches Kuppelgewölbe ersetzt. Vermutlich in diesem Zusammenhang erhielt das Tor an der Nordseite einen Mauerreiter für Glocken.
1856 wurde die Innbrücke für die Innschiffahrt um 5 Fuß (ca. 1,50 m) erhöht und der Boden der Durchfahrt angehoben.[12] Die Durchfahrt war jetzt rundbogig, das Erdgeschoss besaß an der Südseite eine Bandrustika (Foto um 1900).
1872 wurde das Dach des Tores angehoben.[13]
1890 restaurierte bzw. erneuerte der Wasserburger Maler Heinrich Dendl die Malereien an der Südseite. Zwei abgenommene Köpfe der alten Fresken wurden in das städtische Museum verbracht.[14]
1901 wurde für das angrenzende Spital im 1. Obergeschoss an der Nordseite des Brucktors ein Verbindungsgang zum Stadthaus hergestellt.[15]
1921 wurde das Stadtwappen von 1793 an der Nordseite des Brucktors durch Malermeister Breit erneuert.[16]
1929 erweiterte man im Zuge der Erneuerung der Innbrücke nach deren Zerstörung durch einen Eisstoß die Tordurchfahrt ein weiteres Mal, von 3,80 auf 5,05 bzw. 4,75 m (Stadtseite), baute ein neues Betongewölbe ein und legte die seitlichen Fußgängerdurchgänge an. Dadurch musste die westliche Torwand im Erdgeschoss über die Wandflucht nach außen verschoben werden. Die Fassadenbemalung erfuhr eine Instandsetzung.[17]
1952 erfolgte eine Fassadenrenovierung.[18]
1964 und 1983 kam es zu weiteren Renovierungen des Tores.[19]
Baubeschreibung
An der Außenseite des Tores werden durch Horizontalgesimse vier Geschosse gebildet. Das Erdgeschoss mit der segmentbogigen Durchfahrt wurde 1929 Richtung Westen verbreitert.
Im ersten Obergeschoss findet sich die Bemalung von 1568, die zwei rechteckige Fenster umschließt. Sie zeigt einen illusionistisch in Untersicht dargestellten runden, nach oben offenen Hof mit rotbraunen Wänden und antikisierendem Abschlussgesims. Links und rechts stehen zwei geharnischte Krieger (Scharwächter) mit Fahnen in den Farben Bayerns und Wasserburgs. In der Mitte zwischen den Fenstern steht eine Blumenvase mit weißen Lilien, nach Heiserer Symbol für die Jungfräulichkeit des Torturms, also seine Unbezwungenheit.[20] Darüber schwebt in einer runden Gloriole Jupiter auf einem Adler in den angedeuteten Hof herab, mit dem Blitzbündel in der Linken und einem Schwert in der Rechten, überfangen von einem bogenförmigen Schleiertuch (Velum) als Würdezeichen. Die beiden Fenster besitzen aufwändige ornamentale Rahmungen mit Rollwerkmotiven in Grisaille-Technik, mit seitlichen Karyatiden (eine Skulptur einer weiblichen Figur mit tragender Funktion), einer Bekrönung aus seitlichen Pferdebüsten, einer geflügelten Engelsbüste und einem Medaillon mit antikisierendem Kopf im Profil. Ein heute leeres Medaillon befindet sich auch unter den Fenstern. In dem Bild stecken zwei eiserne Kanonenkugeln von einer Beschießung im Jahr 1800.
Im zweiten Obergeschoss aus zwei Innengeschossen befindet sich in der Mitte im unteren Teil das Wasserburger Wappen, in entsprechend gestalteter, aber farbiger Rahmung mit geflügelten Engelsbüsten und der Jahreszahl der Renovierung 1890, darüber das Zifferblatt der Uhr, die nach Heiserer von dem Stadtgärtner Franz Bauer gebaut und gestiftet wurde.[21] Die vier rechteckigen Fenster besitzen wiederum Rahmungen in Grisaille-Technik, mit seitlichen Karyatiden.
Im 3. Obergeschoss ist mittig eine schlichte Sonnenuhr aufgemalt, mit der bekannten Beischrift Die Sonn keen Stund zeigt an wo ma nit Sterben kann. Links und rechts befinden sich hier zwei kleine Rundfenster. Der Zwischenraum zwischen den abschließenden Zinnen ist offenbar nachträglich bis etwa zur halben Höhe ausgemauert worden.
Vor 1827 war einer Zeichnung und den Beschreibungen von Heiserer zufolge die Durchfahrt noch in der ursprünglichen Form erhalten, spitzbogig und mit einer rechteckigen Blende für die Zugbrücke, mit den Rollen für die Aufziehmechanik in den oberen Ecken. Seitlich befanden sich offenbar zwei schmale gemalte rundbogige Türen oder Nischen. Über der Durchfahrt war in einer Rollwerkkartusche die Jahreszahl MDLXVIII, 1568 angebracht (in der Zeichnung verschrieben MDCLXVIII, 1668), seitlich zwischen je vier Halbkugeln (Kanonenkugeln?) Schilde mit dem bayerischen und dem Wasserburger Wappen. Die beiden Kanonenkugeln im Bild von 1568 waren offenbar noch nicht vorhanden. Nach Heiserer entstammen sie einer Beschießung durch österreichische Truppen im Jahr 1800.[22] Im 2. Obergeschoss befand sich anstelle des Wasserburger Wappens ein großes Rundmedaillon mit dem Allianzwappen Bayern-Österreich mit Helmzier, das offensichtlich auf den Landesherrn Herzog Albrecht V. von Bayern (* 29.2.1528, † 24.10.1579) und seine Frau Anna von Österreich (* 7.7.1528, † 16.10.1590) verwies. Nach Heiserer waren seitlich noch 2 Pagen mit den bayerischen Rauten und dem Stadtlöwen angebracht.[23] Die vier Fenster besaßen vor 1827 keine Rahmung, diese wurde wohl erst 1890 angebracht oder wiederhergestellt (Foto um 1900). Die Sonnenuhr schließlich war aufwändiger gestaltet, auf der Zeichnung sind eingerollte Enden des eckigen Bandes mit den Ziffern zu erkennen[24] und die Binnenfläche war nach einem Foto um 1900 offenbar mit einer Sonne und Wolken bemalt (und dem Spruch innerhalb des Bildes).
Die Malereien an der Außenseite wurden in neuerer Zeit mehrfach Hans Bocksberger d. J. (* 1539, † 1587) und Christoph Schwarz (* um 1548, † 15.4.1592) zugeschrieben.[25] Nach Geissler kommen aus stilistischen Gründen weder Bocksberger noch Schwarz in Frage.[26]
An der Innenseite sind durch Horizontalgesimse wiederum vier Geschosse unterschieden. Im ersten Obergeschoss ist das Wasserburger Stadtwappen angebracht, im zweiten Obergeschoss befindet sich über einem rechteckigen Fenster das Zifferblatt der Uhr. Im dritten Obergeschoss ist nur westlich ein Rundfenster analog zur Südfassade sichtbar. Die Zinnen werden von einem Mauerreiter mit Glocken bekrönt, der wohl um 1827 angebracht wurde.[27] Im ersten Obergeschoss ist der Übergang von 1901 zwischen dem ehemaligen Spital und dem ehemaligen Fleischhaus angebaut, womit das Spital und das zur Stiftung gekommene Pensionat verbunden wurden.[28] Der Übergang, das Wappen, das Zifferblatt und der Zinnenkranz wurden nach 1929 mit Rahmungen bzw. Ornamenten in Grisailletechnik im Stil der Malereien der Südfassade versehen, neben der Ecke zum Spital wurden im 1. und 2. Obergeschoss zwei Rundnischen aufgemalt. Ob die Bemalung zumindest teilweise auf Befunden beruht, ist nicht bekannt.
Quellen
Monumenta Boica 2, 450.
StadtA Wasserburg a. Inn, I1c3.
StadtA Wasserburg a. Inn, I1c428.
StadtA Wasserburg a. Inn, II2728.
StadtA Wasserburg a. Inn, II992.
Kirmayer, Chronik, Bd. 24.
StadtA Wasserburg a. Inn, II170.
StadtA Wasserburg a. Inn, II962.
Berg, Brucktor, Spital, Bruckgasse 5/7.
Berg, Spitalkirche, 43, 45.
Literatur
Heiserer, Geschichte Wasserburg, 273f.
Schnepf, Stadtgeschichtliche Sammlung, 6.
Bezold, Bezirksämter Traunstein und Wasserburg, 2006.
Geissler, Cristoph Schwarz, 151.
Geiger, Wasserburg, 58.
Ernst, Molodovsky, Wasserburg, 4. Auflage 1988, 44.
Kaeppele, Bocksberger, 13, 177, 281.
Dehio, Kunstdenkmäler Oberbayern, 1359.
Diemer, Christoph Schwarz.
Empfohlene Zitierweise:
Gerald Dobler, Brucktor, publiziert am 25.06.2024 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Brucktor (09.11.2024)
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- ↑ Das Fleischhaus wurde nach Geiger, Wasserburg, 58 im Jahr 1619 in die Hofstatt verlegt. Nach Berg, Brucktor, Spital, Bruckgasse 5/7, 14 war die (oder eine?) Fleischbank bis 1392 herzoglich, dann städtisch. Nach StadtA Wasserburg a. Inn, I2a141 war die (oder eine?) Fleischbank bis 1338 im Besitz des Klosters Gars und wurde dann dem Spital überlassen.
- ↑ Berg, Brucktor, Spital, Bruckgasse 5/7, 5f.
- ↑ Monumenta Boica 2, 450. Auch in Urkunden im Stadtarchiv Wasserburg a. Inn vom 24.8.1338 und vom 17.9.1338 wird jeweils nur die Brücke erwähnt.
- ↑ Berg, Brucktor, Spital, Bruckgasse 5/7, 4.
- ↑ Denkmalliste, Landesamt für Denkmalpflege, Baudenkmäler Wasserburg a.Inn./ StadtA Wasserburg a. Inn, II170 gibt für 1374 die Erwähnung des Brucktors und der Innbrücke in einer herzoglichen Begnadigungsurkunde an.
- ↑ StadtA Wasserburg a. Inn, I1c3.
- ↑ StadtA Wasserburg a. Inn, I1c428, zitiert nach Kirmayer, Chronik, Bd. 24 (Baugeschichte Wasserburgs) erfolgte der Neubau auf einer Gründung aus Eichenpfählen.
- ↑ Kaeppele, Bocksberger, 281, nach Geissler, Cristoph Schwarz.
- ↑ StadtA Wasserburg a. Inn, I1b201 1630 zitiert nach Berg, Brucktor, Spital, Bruckgasse 5/7, 18.
- ↑ Berg, Brucktor, Spital, Bruckgasse 5/7, 19.
- ↑ Nach Geiger, Wasserburg, 58 fand 1793 der letzte bayerische Kreistag in Wasserburg statt. Die Jahreszahl könnte somit auch an dieses Ereignis erinnern.
- ↑ Heiserer, Geschichte Wasserburg, 274.
- ↑ StadtA Wasserburg a. Inn, II992.
- ↑ Schnepf, Stadtgeschichtliche Sammlung, 6. Die beiden Freskenreste hatten nach Auskunft des früheren Museumsleiters, Herrn Ferdinand Steffan, durch schlechte Lagerung ihre Malschicht vollständig eingebüßt und wurden deshalb nach Rücksprache mit Restauratoren und dem damaligen Bürgermeister Dr. Geiger entsorgt (Mail vom 16.7.2018).
- ↑ Berg, Spitalkirche, 43.
- ↑ Notiz des 1. Bürgermeisters Winter vom 27.7.1921, loses Blatt in StadtA Wasserburg a. Inn, II170.
- ↑ StadtA Wasserburg a. Inn, II962.
- ↑ Berg, Spitalkirche, 45.
- ↑ Dehio, Kunstdenkmäler Oberbayern, 1359.
- ↑ StadtA Wasserburg a. Inn, II170.
- ↑ StadtA Wasserburg a. Inn, II170.
- ↑ StadtA Wasserburg a. Inn, II170. Nach freundlicher Mitteilung von Ferdinand Steffan fand eine solche Beschießung jedoch nicht statt, die "Kanonenkugeln" sind nicht echt.
- ↑ StadtA Wasserburg a. Inn, II170.
- ↑ Museum Wasserburg a. Inn, Inv. Nr. 7240./ Heiserer, Geschichte Wasserburg, 273f. Nach Kirmayer, Chronik, Bd. 24 (Baugeschichte Wasserburgs) war die Sonnenuhr bis 1936 sichtbar und wurde demnach später wieder freigelegt oder erneuert.
- ↑ Kirmayer, Chronik, Bd. 24 (Baugeschichte Wasserburgs): Vermutung der Urheberschaft von Bocksberger und Schwarz für die Fassadenmalereien, da diese Kirmayer zufolge 1565 den Saal im Gasthaus zur Goldenen Krone ausmalten./ Geiger, Wasserburg, 58./ Ernst, Molodovsky, Wasserburg, 4. Auflage 1988, 44./ zuletzt Dehio, Kunstdenkmäler Oberbayern, 1359. In Bezold, Bezirksämter Traunstein und Wasserburg, 2106 werden noch keine Künstler genannt.
- ↑ Geissler, Cristoph Schwarz, 151, Anm. 1, nach Kaeppele, Bocksberger, 281. Nach Kaeppele, Bocksberger, 13, 177 ist Bocksberger 1563 in Salzburg, zuvor neben seinen fünfjährigen Wanderjahre und danach wohl in München, aber bereits 1564 in Nürnberg nachgewiesen. 1579 erscheint er dann als Bürger von Wien. Sandrart nannte in seiner Teutschen Academie von 1675-80 sehr viel Haeuser in Augstburg / Salzburg / Muenchen / Regenspurg / Ingolstadt und Passau, die von Bocksberger bemalt wurden (Kaeppele, Bocksberger, 177), nicht jedoch in Wasserburg. Auch in der jüngeren Literatur zu Christoph Schwarz werden die Malereien am Brucktor nicht als dessen Werk genannt (Diemer, Christoph Schwarz).
- ↑ StadtA Wasserburg a. Inn, Plansammlung der Registratur des Stadtmagistrats, ohne Inv. Nr., Ansicht von Süden vor 1827 mit aufgeklebter Zeichnung des Mauerreiters.
- ↑ SW-Foto von 1915-17, ZI, 1452-01-02-415877.