Baugeschichte der historischen Stadtbefestigung: Unterschied zwischen den Versionen

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Zur Terminologie: Die eigentliche, bis in die Spätromanik zurückreichende Stadtmauer um den Stadtkern wird im Folgenden als Ringmauer bezeichnet, die drei zusätzlichen Quermauern von 1415ff. von Osten nach Westen als innere, mittlere und äußere Zwerchmauer. Die Mauer entlang des Inns südlich der Burg ist die Zwingermauer der Burg. Die drei größeren Torbauten im Bereich der Burg, die den Zugang zur Stadt von Westen sicherten, werden als äußeres, mittleres und unteres Burgtor bezeichnet. Die übrigen Tore und Türme, deren Namen häufiger wechselten, werden mit dem geläufigen oder dem ältesten Namen bezeichnet.
 
Zur Terminologie: Die eigentliche, bis in die Spätromanik zurückreichende Stadtmauer um den Stadtkern wird im Folgenden als Ringmauer bezeichnet, die drei zusätzlichen Quermauern von 1415ff. von Osten nach Westen als innere, mittlere und äußere Zwerchmauer. Die Mauer entlang des Inns südlich der Burg ist die Zwingermauer der Burg. Die drei größeren Torbauten im Bereich der Burg, die den Zugang zur Stadt von Westen sicherten, werden als äußeres, mittleres und unteres Burgtor bezeichnet. Die übrigen Tore und Türme, deren Namen häufiger wechselten, werden mit dem geläufigen oder dem ältesten Namen bezeichnet.
  
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== Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse ==
  
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=== Die Geschichte und Baugeschichte der Befestigungen ===
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'''Die Befestigung des 12./13. Jahrhunderts'''
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Zumindest die Burg dürfte spätestens um 1085/88 bestanden haben.<ref>Rupert Pritz, Entwicklung einer Stadtlandschaft - Entwicklung und Veränderung einer mittelalterlichen Stadt am Beispiel der Stadt Wasserburg am Inn, 1976, 16. Erwähnung eines Dietrich von Wazzerburch 1085/88 im Traditionskodex von St. Emmeram in Regensburg; Nach Martin Geiger, Wasserburg a. Inn, 1980 (Heimat am Inn), 14f. erwähnt Hallgraf Engelberg in der Urkunde von 1137 (MB Bd. I, 266 Nr. 1) ''den festen Platz Wasserburg''. Es wird vermutet, dass in Wasserburg ein römisches Kastell bestanden haben könnte, jedoch fehlen dafür bislang Beweise. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang der annähernd quadratische Umriss der Häuserblöcke, die von Herrengasse und Ledererzeile und Salzsenderzeile/Hofstatt und Schustergasse begrenzt werden und die einen Hinweis auf ein solches Kastell darstellen könnten. Bislang nicht gedeutete große Quader kamen bei Erdarbeiten am unteren südlichen Ende der Schmidzeile zutage (freundliche Hinweise von Ferdinand Steffan).</ref> Hallgraf Engelbert verlegte 1137 seinen Sitz aus dem nahen Limburg in die Wasserburg und siedelte die Einwohner von Limburg bei dieser an. Die Vollendung der ersten Stadtmauer ist in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts anzunehmen, nach Steffan einer unbelegten Tradition zufolge zwischen 1160 und 1220.<ref>Ferdinand Steffan, Vergessene Türme der Stadtbefestigung in Wasserburg. Pulver- und Totengräberturm, 1992 (Heimat am Inn), 159. Geiger, Wasserburg a. Inn (wie Anm.2), 56 gibt um 1120 an. Kirmayer Chronik Bd. 1 zum Jahr 1338: 1220 ''ist Wasserburg, d. h. die alte Ansiedlung um die Burg, schon mit Mauern, Graben und Toren bewehrt''.</ref> Dehio vermutet als erste Ansiedlung nach 1137 im Bereich des Marienplatzes eine ''vermutlich runde romanische Siedlungsanlage, deren Grenzen wohl die Fletzingergasse und das Nagelschmiedgässchen bildeten.''<ref>Georg Dehio, München und Oberbayern (Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Bayern IV), 2006, 1353-1360,hier 1355.</ref>
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In der Denkmalliste heißt es: ''Von der romanischen Stadt Wasserburg nimmt man an, sie sei eine Rundstadt gewesen. Im Osten blieb die Ausdehnung dieser Siedlung im Verlauf des Nagelschmiedgäßchens erkennbar, auch die Fletzingergasse zeichnet wohl eine Verlaufslinie dieser Stadt nach. Ebenso könnte in den als ‚Hinter den Mauern‘ bezeichneten Resten eines ehemaligen Wehrgürtels, der später verstärkt wurde, der ursprüngliche Verlauf der romanischen Anlage sichtbar sein.''
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Problematisch erscheint jeweils, dass zwischen der Fletzingergasse und der Nagelschmiedgasse ein starker Versprung vorhanden ist. Die Fortsetzung der Fletzingergasse wäre vielleicht eher in der Sedelmeiergasse zu sehen. In der Denkmalliste sind für mehrere Häuser in der Fletzingergasse verbaute Stadtmauerreste angegeben. Armin Göttler, ortsansässiger Restaurator und langjähriger Kenner der Altstadt, bezweifelt diese Angabe, da ihm zufolge in den Häusern keine entsprechend starke Mauern vorhanden sind.<ref>So auch die Einschätzung von Ferdinand Steffan.</ref> An der Nordseite der Sedelmeiergasse konnten von Göttler zwei nebeneinanderliegende, turmähnliche Strukturen beobachtet werden, die aber offenbar nicht in Zusammenhang mit der ersten Befestigung stehen.
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1247 wurde Wasserburgs durch Herzog Ludwig von Bayern belagert, die Einnahme gelang erst nach mehr als 4 Monaten (17 Wochen).<ref>Zeno Felix Korbinian Hippke, Die Stadt Wasserburg am Inn im Spiegel des spätmittelalterlichen ‚Kopialbuches der Stadtrechte‘ im Stadtarchiv Wasserburg, Diplomarbeit 2010, 8., StadtA Wasserburg a. Inn BBFO 154/BBFO-Digitalisat-13 (=Kopialbuch der Stadtrechte), StadtA Wasserburg a. Inn, I1c1.</ref> Dehio gibt für die Zeit nach der Übernahme der Stadt durch die Wittelsbacher ''eine planmäßige Neuanlage mit breitem Stadtplatz und rechtwinkligen Längs- und Querstraßen'' an.<ref>Dehio, München und Oberbayern (wie Anm. 4) 1355.</ref> Es ist zu fragen, ob eine solche Neuanlage nicht auch erst nach dem verheerenden Stadtbrand von 1339 erfolgt sein kann.
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Es bleibt festzuhalten, dass bislang stichhaltige Belege zum Verlauf der spätromanischen Stadtmauer fehlen. Nachdem das von der bekannten Ringmauer umschlossene Gebiet keine besonders große Ausdehnung besitzt, wäre zu überlegen, ob es sich bei dieser zumindest im Verlauf um die erste Mauer handelt und eine spätere Erweiterung lediglich im nordwestlichen Teil, nördlich der Burg und westlich des Roten Tores stattgefunden hat (dies vielleicht bereits nach dem Stadtbrand von 1339).<ref>Das heißt vom Roten Tor in Richtung Westen. Die Ledererzeile scheint im östlichen Teil in der nördlichen Straßenfront noch die ursprüngliche rundliche Form des Stadtumrisses zu bewahren. Diese scheint durch die frühere Ausdehnung der Halbinsel bedingt, mit sich später stetig ausdehnenden Stränden im Osten und Norden. Vgl. Pritz, Entwicklung einer Stadtlandschaft (wie Anm. 2),28. Hier ist die Ausdehnung der Halbinsel um 1000 und um 1200 in Richtung Norden vermutlich annähernd richtig dargestellt, in Richtung Osten jedoch zu gering, wie die ältesten Grabungsfunde 2013 im Bereich des Fletzinger-Areals erbrachten, die wohl zwischen 4. und 9. Jahrhundert zu datieren sind (Bericht zur Grabung liegt noch nicht vor). Vgl. auch Pritz, Entwicklung einer Stadtlandschaft (wie Anm.2), 29-32.</ref>
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1338 datiert die erste Erwähnung der Innbrücke, damit ist wohl vom Vorhandensein des Brucktors auszugehen.<ref>Kirmayer Chronik Bd. 1 zum Jahr 1841; Kirmayer Chronik Bd. 1 zum Jahr 1338: In Urkunden im StadtA Wasserburg a. Inn vom 24.8.1338 und vom 17.9.1338 wird nur die Brücke erwähnt. Das Tor wird somit aus der Existenz der Brücke abgeleitet.</ref>
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1339 gab es einen Stadtbrand, der angeblich die fast vollständige Zerstörung der Stadt mit sich brachte.<ref>[[Joseph Heiserer]], Topographische Geschichte der Stadt Wasserburg am Inn, in: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte, Bd. 19, Heft 3 (1860),251-299, hier 262.</ref>
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1366 wurde die Stadt erneut belagert.<ref>Heiserer, Topographische Geschichte der Stadt Wasserburg (wie Anm. 10) 1860, 262.</ref>
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1374 erfolgte ein Neubau des Brucktors (Denkmalliste).
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'''Die ab 1415 ausgebaute Befestigung'''
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In den Jahren ab 1415 (wohl bereits bis 1416 oder bis 1422, dem Jahr der erfolglosen Belagerung durch Herzog Heinrich von Bayern-Landshut, weitestgehend abgeschlossen) erfolgte unter Herzog Ludwig VII. dem Gebarteten von Bayern-Ingolstadt (* 1368, Herzog ab 1413, † 1447) der Ausbau der Befestigungen. Dem Gedenkstein am Chor der Stadtpfarrkirche [[St. Jakob]] zufolge werden nach Steffan
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''u. a. die Mauer und der Turm über dem Hals vor der äußeren Veste errichtet und beidseits bis zum Innufer verlängert, ferner der obere Berg (= wohl der Burgberg selbst) mit einer Mauer umgeben und'' [die Burg mittels Zwerchmauern zum Inn mit] ''einem Zwinger versehen. Mit diesen Zwerch- oder Stichmauern wurde das Schwemmland im Norden und Westen der Stadt in leichter zu verteidigende Abschnitte gegliedert. Türme an besonders wichtigen Punkten, wo z. B. die Ringmauer einen Knick machte oder Zwerchmauern endeten, sicherten diese Abschnitte zusätzlich. So scheinen die beiden Zwerchmauern gen Norden, ausgehend vom ‚Äußersten Tor‘ (auch Äußere Veste, jetzt Rottmoser-Keller genannt - die Mauer wird im weiteren als äußere Zwerchmauer bezeichnet) und vom Weberzipfl aus (die Mauer wird fortan innere Zwerchmauer genannt'' [hier als mittlere Zwerchmauer bezeichnet]) ''ebenso von Anfang an mit einem Turm bewehrt gewesen zu sein [...] wie die Zwerchmauer vom Roten Turm'' [hier als innere Zwerchmauer bezeichnet] ''aus''.<ref>Steffan, Vergessene Türme der Stadtbefestigung (wie Anm. 3) 159.</ref>
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In der Inschrift wird außerdem die Erhöhung der Ringmauer, die Errichtung überdachter Wehrgänge und von Türmen an derselben erwähnt.
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Ein Eintrag im Kopialbuch der Stadt Wasserburg (StadtA Wasserburg a. Inn, I1c1), der sich offensichtlich auf dieselbe Baumaßnahme bezieht, beschreibt den Anteil der Stadt an den Baumaßnahmen, im Uhrzeigersinn von der Innbrücke aus: genannt wird die Neuerrichtung der offenbar durch Hochwasser zerstörten Ringmauer von der Brücke (''Spital'', westlich der Brücke) bis zur Burg, dann wohl von der Burg aus in Richtung Norden ''die slacht vnd berch hinauf von dem graben vnndter des […] Lewt(e)n'' [Leiten] ''bis an die mawr von dem Tuern(n)'', ''die slacht vnd werich vnndter dem Büssübl herab'' [Wasserbauten an der Südseite des Burgbergs?], ''von dem Althauß herab bis zu der Zbirchmaw(er) vnd den Turrn(n) bej der spitall müll'' [Mühlturm im Haag, erwähnt 1590? Später Pulverturm an der mittleren Zwerchmauer?]<ref>Ferdinand Steffan vermutet die Spitalmühle ebenfalls in diesem Bereich. Die Spitalmühle könnte theoretisch auch eine Schiffsmühle [[am Gries]] oder im Haag sein. Vgl. Heiserer Topographische Geschichte der Stadt Wasserburg (wie Anm. 10), 267.</ref> ''zu sambt der Zwirchmaw(er) vnd auch den Turrn(n) dorInne daselbs oben in der maw(er)'' [Irlacher Turm?], ''von der Zwirchmawr bis zu dem
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Roten Turrn(n) vnd den Turrn(n) bej dem Ine do yetz der pfemitter auf sitzet'' [Pfändnerturm], ''von dem Roten Turn(n) bis zu dem Trencktor vnd mit sambt dem(m) Trennkturn(n), von dem Trennckturn(n) die maw(er) bis zu der prugkhen, den Turr(n)n bej dem fleischauß'' [Brucktor].
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Das Schmidtor zwischen Rotem Tor und Tränktor wird nicht erwähnt und könnte somit erst später entstanden sein. Ansonsten belegen die beiden Textquellen, '''dass die bekannten Befestigungen Wasserburgs mit Ausnahme der (nicht obertägig erhaltenen) neuzeitlichen Festungswerke im Westen und kleinerer Erneuerungen und Ergänzungen sämtlich auf die Jahre ab 1415, im Bereich der Ringmauer zum Teil noch weiter zurückgehen.'''
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Die Tore und Türme des frühen 15. Jahrhunderts sind quadratisch mit Zinnenkranz, vermutlich nachträgliche Bauten des späteren 15. Jahrhunderts wie das Schmidtor, der Turm an der Zwingermauer der Burg und ein Turm an der äußeren Zwerchmauer zeigen eine halbrunde Form. Eine Ausnahme ist der ebenfalls vielleicht bereits ab 1415 entstandene Pulverturm an der mittleren Zwerchmauer, der offenbar eine leicht spitze Form zeigte.
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Neben den bereits 1415ff. genannten Toren und Türmen bestanden offenbar zwei quadratische Türme an der Innfront und drei quadratische bzw. rechteckige Türme an der äußeren Zwerchmauer (Stadtplan von 1615).
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Das mittlere und das äußere Burgtor stellten in der ausgebauten Form (früheste Darstellungen Ende 16. Jahrhundert)jeweils Komplexe aus mehreren Gebäuden und Türmen dar. Die Mauern, Tore und Türme waren wohl weitestgehend aus Feldsteinen und Bachkieseln errichtet, in Teilen jedoch auch aus Ziegeln (z. B. der obere Teil der Ringmauer im Bereich des Fletzinger-Areals, oder der Wehrgangbereich der Inneren Zwerchmauer, mit abwechselnden großen segmentbogigen
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Öffnungen und Schlitz- / Schlüsselscharten. Die Mauern besaßen, wie bereits erwähnt, überdachte Wehrgänge (bildlich dargestellt erstmals 1644).
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1422 belagerte Herzog Heinrich von Bayern-Landshut die Stadt ohne Erfolg.<ref>Heiserer, Topographische Geschichte der Stadt Wasserburg (wie Anm. 10), 262.</ref>
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1439 erhielt die Stadt von Herzog Ludwig den Salzscheibenpfennig, um die Einnahmen, ''nach Rat vnsers Pflegers zu Wasserburg an vnser Stat daselbs Torn vnd Mawrn'' [zu] ''verpawen''.
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1456 wird eine kleine Türe in der Ringmauer bei ''Vns(e)r Frawn Pad [...] hinter des Chunrad Hueters vnd des B[e]n[ann]tt[e]n Lienhart Mülperg(er) Häuser'' genannt.
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1470/71 erfolgte der Neubau des Brucktors durch Meister Wolfgang [Wiser] und Meister Steffan, Stadtmeister, Zimmermann (Stadtkammerrechnung 1470).
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1494 erhielt die Stadt von Herzog Georg die Aufforderung, sich für Krieg zu rüsten.<ref>StadtA Wasserburg a. Inn, I1b357, nach Repertorium.</ref>
  
 
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Version vom 20. Februar 2019, 16:02 Uhr

Autor: Gerald Dobler/Autor: Redaktion

Baugeschichte der historischen Stadtbefestigung[1]

Einführung

Anlass der Untersuchung waren geplante Instandsetzungsmaßnahmen an dem noch aufrechtstehenden Teil der Stadtmauer im Bereich des Altstadtfriedhofs. Ziel der Untersuchung war eine Übersicht über die Geschichte und Baugeschichte der historischen Befestigungen der Stadt Wasserburg. Für die Dokumentation[2] wurde zudem eine Zusammenstellung der erreichbaren wesentlichen Quellen in digitaler Form angestrebt. Die Burg wurde nur insoweit einbezogen, als deren Befestigungen zugleich auch als Stadtmauern/Stadttore bezeichnet werden können. Eine erschöpfende Bearbeitung der einzelnen Bestandteile der Befestigungen war im Rahmen der Untersuchung weder angestrebt noch möglich.

Zur Terminologie: Die eigentliche, bis in die Spätromanik zurückreichende Stadtmauer um den Stadtkern wird im Folgenden als Ringmauer bezeichnet, die drei zusätzlichen Quermauern von 1415ff. von Osten nach Westen als innere, mittlere und äußere Zwerchmauer. Die Mauer entlang des Inns südlich der Burg ist die Zwingermauer der Burg. Die drei größeren Torbauten im Bereich der Burg, die den Zugang zur Stadt von Westen sicherten, werden als äußeres, mittleres und unteres Burgtor bezeichnet. Die übrigen Tore und Türme, deren Namen häufiger wechselten, werden mit dem geläufigen oder dem ältesten Namen bezeichnet.

Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse

Die Geschichte und Baugeschichte der Befestigungen

Die Befestigung des 12./13. Jahrhunderts

Zumindest die Burg dürfte spätestens um 1085/88 bestanden haben.[3] Hallgraf Engelbert verlegte 1137 seinen Sitz aus dem nahen Limburg in die Wasserburg und siedelte die Einwohner von Limburg bei dieser an. Die Vollendung der ersten Stadtmauer ist in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts anzunehmen, nach Steffan einer unbelegten Tradition zufolge zwischen 1160 und 1220.[4] Dehio vermutet als erste Ansiedlung nach 1137 im Bereich des Marienplatzes eine vermutlich runde romanische Siedlungsanlage, deren Grenzen wohl die Fletzingergasse und das Nagelschmiedgässchen bildeten.[5] In der Denkmalliste heißt es: Von der romanischen Stadt Wasserburg nimmt man an, sie sei eine Rundstadt gewesen. Im Osten blieb die Ausdehnung dieser Siedlung im Verlauf des Nagelschmiedgäßchens erkennbar, auch die Fletzingergasse zeichnet wohl eine Verlaufslinie dieser Stadt nach. Ebenso könnte in den als ‚Hinter den Mauern‘ bezeichneten Resten eines ehemaligen Wehrgürtels, der später verstärkt wurde, der ursprüngliche Verlauf der romanischen Anlage sichtbar sein. Problematisch erscheint jeweils, dass zwischen der Fletzingergasse und der Nagelschmiedgasse ein starker Versprung vorhanden ist. Die Fortsetzung der Fletzingergasse wäre vielleicht eher in der Sedelmeiergasse zu sehen. In der Denkmalliste sind für mehrere Häuser in der Fletzingergasse verbaute Stadtmauerreste angegeben. Armin Göttler, ortsansässiger Restaurator und langjähriger Kenner der Altstadt, bezweifelt diese Angabe, da ihm zufolge in den Häusern keine entsprechend starke Mauern vorhanden sind.[6] An der Nordseite der Sedelmeiergasse konnten von Göttler zwei nebeneinanderliegende, turmähnliche Strukturen beobachtet werden, die aber offenbar nicht in Zusammenhang mit der ersten Befestigung stehen.

1247 wurde Wasserburgs durch Herzog Ludwig von Bayern belagert, die Einnahme gelang erst nach mehr als 4 Monaten (17 Wochen).[7] Dehio gibt für die Zeit nach der Übernahme der Stadt durch die Wittelsbacher eine planmäßige Neuanlage mit breitem Stadtplatz und rechtwinkligen Längs- und Querstraßen an.[8] Es ist zu fragen, ob eine solche Neuanlage nicht auch erst nach dem verheerenden Stadtbrand von 1339 erfolgt sein kann.

Es bleibt festzuhalten, dass bislang stichhaltige Belege zum Verlauf der spätromanischen Stadtmauer fehlen. Nachdem das von der bekannten Ringmauer umschlossene Gebiet keine besonders große Ausdehnung besitzt, wäre zu überlegen, ob es sich bei dieser zumindest im Verlauf um die erste Mauer handelt und eine spätere Erweiterung lediglich im nordwestlichen Teil, nördlich der Burg und westlich des Roten Tores stattgefunden hat (dies vielleicht bereits nach dem Stadtbrand von 1339).[9]

1338 datiert die erste Erwähnung der Innbrücke, damit ist wohl vom Vorhandensein des Brucktors auszugehen.[10]

1339 gab es einen Stadtbrand, der angeblich die fast vollständige Zerstörung der Stadt mit sich brachte.[11]

1366 wurde die Stadt erneut belagert.[12]

1374 erfolgte ein Neubau des Brucktors (Denkmalliste).


Die ab 1415 ausgebaute Befestigung

In den Jahren ab 1415 (wohl bereits bis 1416 oder bis 1422, dem Jahr der erfolglosen Belagerung durch Herzog Heinrich von Bayern-Landshut, weitestgehend abgeschlossen) erfolgte unter Herzog Ludwig VII. dem Gebarteten von Bayern-Ingolstadt (* 1368, Herzog ab 1413, † 1447) der Ausbau der Befestigungen. Dem Gedenkstein am Chor der Stadtpfarrkirche St. Jakob zufolge werden nach Steffan

u. a. die Mauer und der Turm über dem Hals vor der äußeren Veste errichtet und beidseits bis zum Innufer verlängert, ferner der obere Berg (= wohl der Burgberg selbst) mit einer Mauer umgeben und [die Burg mittels Zwerchmauern zum Inn mit] einem Zwinger versehen. Mit diesen Zwerch- oder Stichmauern wurde das Schwemmland im Norden und Westen der Stadt in leichter zu verteidigende Abschnitte gegliedert. Türme an besonders wichtigen Punkten, wo z. B. die Ringmauer einen Knick machte oder Zwerchmauern endeten, sicherten diese Abschnitte zusätzlich. So scheinen die beiden Zwerchmauern gen Norden, ausgehend vom ‚Äußersten Tor‘ (auch Äußere Veste, jetzt Rottmoser-Keller genannt - die Mauer wird im weiteren als äußere Zwerchmauer bezeichnet) und vom Weberzipfl aus (die Mauer wird fortan innere Zwerchmauer genannt [hier als mittlere Zwerchmauer bezeichnet]) ebenso von Anfang an mit einem Turm bewehrt gewesen zu sein [...] wie die Zwerchmauer vom Roten Turm [hier als innere Zwerchmauer bezeichnet] aus.[13] In der Inschrift wird außerdem die Erhöhung der Ringmauer, die Errichtung überdachter Wehrgänge und von Türmen an derselben erwähnt.

Ein Eintrag im Kopialbuch der Stadt Wasserburg (StadtA Wasserburg a. Inn, I1c1), der sich offensichtlich auf dieselbe Baumaßnahme bezieht, beschreibt den Anteil der Stadt an den Baumaßnahmen, im Uhrzeigersinn von der Innbrücke aus: genannt wird die Neuerrichtung der offenbar durch Hochwasser zerstörten Ringmauer von der Brücke (Spital, westlich der Brücke) bis zur Burg, dann wohl von der Burg aus in Richtung Norden die slacht vnd berch hinauf von dem graben vnndter des […] Lewt(e)n [Leiten] bis an die mawr von dem Tuern(n), die slacht vnd werich vnndter dem Büssübl herab [Wasserbauten an der Südseite des Burgbergs?], von dem Althauß herab bis zu der Zbirchmaw(er) vnd den Turrn(n) bej der spitall müll [Mühlturm im Haag, erwähnt 1590? Später Pulverturm an der mittleren Zwerchmauer?][14] zu sambt der Zwirchmaw(er) vnd auch den Turrn(n) dorInne daselbs oben in der maw(er) [Irlacher Turm?], von der Zwirchmawr bis zu dem Roten Turrn(n) vnd den Turrn(n) bej dem Ine do yetz der pfemitter auf sitzet [Pfändnerturm], von dem Roten Turn(n) bis zu dem Trencktor vnd mit sambt dem(m) Trennkturn(n), von dem Trennckturn(n) die maw(er) bis zu der prugkhen, den Turr(n)n bej dem fleischauß [[[Brucktor]]]. Das Schmidtor zwischen Rotem Tor und Tränktor wird nicht erwähnt und könnte somit erst später entstanden sein. Ansonsten belegen die beiden Textquellen, dass die bekannten Befestigungen Wasserburgs mit Ausnahme der (nicht obertägig erhaltenen) neuzeitlichen Festungswerke im Westen und kleinerer Erneuerungen und Ergänzungen sämtlich auf die Jahre ab 1415, im Bereich der Ringmauer zum Teil noch weiter zurückgehen. Die Tore und Türme des frühen 15. Jahrhunderts sind quadratisch mit Zinnenkranz, vermutlich nachträgliche Bauten des späteren 15. Jahrhunderts wie das Schmidtor, der Turm an der Zwingermauer der Burg und ein Turm an der äußeren Zwerchmauer zeigen eine halbrunde Form. Eine Ausnahme ist der ebenfalls vielleicht bereits ab 1415 entstandene Pulverturm an der mittleren Zwerchmauer, der offenbar eine leicht spitze Form zeigte. Neben den bereits 1415ff. genannten Toren und Türmen bestanden offenbar zwei quadratische Türme an der Innfront und drei quadratische bzw. rechteckige Türme an der äußeren Zwerchmauer (Stadtplan von 1615). Das mittlere und das äußere Burgtor stellten in der ausgebauten Form (früheste Darstellungen Ende 16. Jahrhundert)jeweils Komplexe aus mehreren Gebäuden und Türmen dar. Die Mauern, Tore und Türme waren wohl weitestgehend aus Feldsteinen und Bachkieseln errichtet, in Teilen jedoch auch aus Ziegeln (z. B. der obere Teil der Ringmauer im Bereich des Fletzinger-Areals, oder der Wehrgangbereich der Inneren Zwerchmauer, mit abwechselnden großen segmentbogigen Öffnungen und Schlitz- / Schlüsselscharten. Die Mauern besaßen, wie bereits erwähnt, überdachte Wehrgänge (bildlich dargestellt erstmals 1644).

1422 belagerte Herzog Heinrich von Bayern-Landshut die Stadt ohne Erfolg.[15]

1439 erhielt die Stadt von Herzog Ludwig den Salzscheibenpfennig, um die Einnahmen, nach Rat vnsers Pflegers zu Wasserburg an vnser Stat daselbs Torn vnd Mawrn [zu] verpawen.

1456 wird eine kleine Türe in der Ringmauer bei Vns(e)r Frawn Pad [...] hinter des Chunrad Hueters vnd des B[e]n[ann]tt[e]n Lienhart Mülperg(er) Häuser genannt.

1470/71 erfolgte der Neubau des Brucktors durch Meister Wolfgang [Wiser] und Meister Steffan, Stadtmeister, Zimmermann (Stadtkammerrechnung 1470).

1494 erhielt die Stadt von Herzog Georg die Aufforderung, sich für Krieg zu rüsten.[16]

Empfohlene Zitierweise:
Gerald Dobler, Baugeschichte der historischen Stadtbefestigung, publiziert am 20.02.2019 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Baugeschichte_der_historischen_Stadtbefestigung (02.05.2024)


  1. Dieser Beitrag fußt auf Gerald Dobler, Archivalienforschung zur Geschichte und Baugeschichte der historischen Befestigung der Stadt Wasserburg a. Inn. Unveröffentlichtes Manuskript der Bauforschung, Auftraggeber: Stadt Wasserburg a. Inn, Durchführung: Dr. Gerald Dobler, August 2018. StadtA Wasserburg a. Inn, Präsenzbibliothek, Bav8106.
  2. Dobler, Archivalienforschung (wie Anmerkung 1). Diese beinhaltet die entsprechende Materialsammlung.
  3. Rupert Pritz, Entwicklung einer Stadtlandschaft - Entwicklung und Veränderung einer mittelalterlichen Stadt am Beispiel der Stadt Wasserburg am Inn, 1976, 16. Erwähnung eines Dietrich von Wazzerburch 1085/88 im Traditionskodex von St. Emmeram in Regensburg; Nach Martin Geiger, Wasserburg a. Inn, 1980 (Heimat am Inn), 14f. erwähnt Hallgraf Engelberg in der Urkunde von 1137 (MB Bd. I, 266 Nr. 1) den festen Platz Wasserburg. Es wird vermutet, dass in Wasserburg ein römisches Kastell bestanden haben könnte, jedoch fehlen dafür bislang Beweise. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang der annähernd quadratische Umriss der Häuserblöcke, die von Herrengasse und Ledererzeile und Salzsenderzeile/Hofstatt und Schustergasse begrenzt werden und die einen Hinweis auf ein solches Kastell darstellen könnten. Bislang nicht gedeutete große Quader kamen bei Erdarbeiten am unteren südlichen Ende der Schmidzeile zutage (freundliche Hinweise von Ferdinand Steffan).
  4. Ferdinand Steffan, Vergessene Türme der Stadtbefestigung in Wasserburg. Pulver- und Totengräberturm, 1992 (Heimat am Inn), 159. Geiger, Wasserburg a. Inn (wie Anm.2), 56 gibt um 1120 an. Kirmayer Chronik Bd. 1 zum Jahr 1338: 1220 ist Wasserburg, d. h. die alte Ansiedlung um die Burg, schon mit Mauern, Graben und Toren bewehrt.
  5. Georg Dehio, München und Oberbayern (Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Bayern IV), 2006, 1353-1360,hier 1355.
  6. So auch die Einschätzung von Ferdinand Steffan.
  7. Zeno Felix Korbinian Hippke, Die Stadt Wasserburg am Inn im Spiegel des spätmittelalterlichen ‚Kopialbuches der Stadtrechte‘ im Stadtarchiv Wasserburg, Diplomarbeit 2010, 8., StadtA Wasserburg a. Inn BBFO 154/BBFO-Digitalisat-13 (=Kopialbuch der Stadtrechte), StadtA Wasserburg a. Inn, I1c1.
  8. Dehio, München und Oberbayern (wie Anm. 4) 1355.
  9. Das heißt vom Roten Tor in Richtung Westen. Die Ledererzeile scheint im östlichen Teil in der nördlichen Straßenfront noch die ursprüngliche rundliche Form des Stadtumrisses zu bewahren. Diese scheint durch die frühere Ausdehnung der Halbinsel bedingt, mit sich später stetig ausdehnenden Stränden im Osten und Norden. Vgl. Pritz, Entwicklung einer Stadtlandschaft (wie Anm. 2),28. Hier ist die Ausdehnung der Halbinsel um 1000 und um 1200 in Richtung Norden vermutlich annähernd richtig dargestellt, in Richtung Osten jedoch zu gering, wie die ältesten Grabungsfunde 2013 im Bereich des Fletzinger-Areals erbrachten, die wohl zwischen 4. und 9. Jahrhundert zu datieren sind (Bericht zur Grabung liegt noch nicht vor). Vgl. auch Pritz, Entwicklung einer Stadtlandschaft (wie Anm.2), 29-32.
  10. Kirmayer Chronik Bd. 1 zum Jahr 1841; Kirmayer Chronik Bd. 1 zum Jahr 1338: In Urkunden im StadtA Wasserburg a. Inn vom 24.8.1338 und vom 17.9.1338 wird nur die Brücke erwähnt. Das Tor wird somit aus der Existenz der Brücke abgeleitet.
  11. Joseph Heiserer, Topographische Geschichte der Stadt Wasserburg am Inn, in: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte, Bd. 19, Heft 3 (1860),251-299, hier 262.
  12. Heiserer, Topographische Geschichte der Stadt Wasserburg (wie Anm. 10) 1860, 262.
  13. Steffan, Vergessene Türme der Stadtbefestigung (wie Anm. 3) 159.
  14. Ferdinand Steffan vermutet die Spitalmühle ebenfalls in diesem Bereich. Die Spitalmühle könnte theoretisch auch eine Schiffsmühle am Gries oder im Haag sein. Vgl. Heiserer Topographische Geschichte der Stadt Wasserburg (wie Anm. 10), 267.
  15. Heiserer, Topographische Geschichte der Stadt Wasserburg (wie Anm. 10), 262.
  16. StadtA Wasserburg a. Inn, I1b357, nach Repertorium.